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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hatte Lawrence beneidet. Und zum ersten Mal war eine Bitterkeit zwischen ihnen gewesen.
    In den späten Stunden, wenn der Wein geflossen war, hatte Lawrence Elliott einen Feigling genannt, weil er seine letzten Jahre in London in einer Welt verbrachte, die er haßte und die ihm keine Freude bereitete. Elliott hatte Lawrence kritisiert, weil er seiner Meinung nach blind und dumm war. Schließlich war Lawrence reich, reicher als Elliott es sich in seinen wilde-sten Träumen vorstellen konnte, und Lawrence war Witwer und hatte eine kluge und unabhängige Tochter. Elliott hatte eine Frau und einen Sohn, die ihn brauchten, damit er ihr durch und durch ehrbares und konventionelles Leben steuerte.
    »Ich will damit nur sagen«, bohrte Randolph weiter, »wenn Lawrence seinen Wunsch nach dieser Heirat zum Ausdruck bringen würde…«
    »Und die Kleinigkeit von zwanzigtausend Pfund?« fragte Elliott plötzlich. Der Ton war höflich, doch die Frage war unverzeih-lich unhöflich. Dennoch war er beharrlich. »Edith wird in einer Woche aus Frankreich zurückkehren, und sie wird ganz bestimmt merken, daß das Kollier fehlt. So etwas fällt ihr immer auf.«
    Randolph antwortete nicht.
    Elliott lachte leise, aber nicht über Randolph, nicht einmal über sich selbst. Und sicher nicht über Edith, die jetzt nur ein kleines bißchen mehr Geld besaß als Elliott, aber das meiste in Silber und Juwelen.
    Vielleicht lachte Elliott, weil ihn die Musik schwindlig machte; vielleicht rührte auch der Anblick von Julie Stratford, die da unten mit Alex tanzte, an sein Herz. Oder vielleicht weil er in letzter Zeit die Fähigkeit verloren hatte, in Doppeldeutigkeiten und Halbwahrheiten zu sprechen. Er hatte sie zusammen mit seiner körperlichen Robustheit und dem Gefühl des Wohlbefindens verloren, derer er sich in seiner Jugend stets erfreut hatte.
    Jetzt schmerzten seine Gelenke mit jedem verstreichenden Winter mehr, und er konnte keine Meile weit mehr Spazierengehen, ohne stechende Schmerzen in der Brust zu verspüren.
    Es machte ihm nichts aus, daß er mit fünfundfünfzig weißes Haar hatte, möglicherweise weil er wußte, daß er recht gut damit aussah. Aber es schmerzte ihn innerlich zutiefst, daß er jetzt ständig am Stock gehen mußte. Doch das alles waren lediglich Vorboten dessen, was noch kommen würde.
    Alter, Schwäche, Abhängigkeit. Er konnte nur beten, daß Alex glücklich mit den Stratford-Millionen verheiratet sein würde, und zwar bald!
    Plötzlich verspürte er eine Rastlosigkeit, er fühlte sich unbe-friedigt. Die sanfte, beschwingte Musik erboste ihn; eigentlich hatte er Strauß restlos satt. Aber es war etwas Tiefergehende-res.
    Plötzlich wollte er Randolph erklären, daß er, Elliott, vor langer Zeit einen entscheidenden Fehler gemacht hatte. Es hatte etwas mit den langen Nächten in Ägypten zu tun, als er und Lawrence gemeinsam durch die Straßen von Kairo geschlendert waren oder betrunken in der kleinen Bar des Boots miteinander geplänkelt hatten. Lawrence war es irgendwie gelungen, sein Leben in heroischen Dimensionen zu leben; ihm waren Dinge gelungen, zu denen andere schlichtweg nicht fähig waren. Elliott hatte sich mit der Strömung treiben lassen.
    Lawrence war nach Ägypten geflohen, in die Wüste, zu den Tempeln, den sternenklaren Nächten.
    Himmel, Lawrence fehlte ihm so sehr. In den letzten drei Jahren hatten sie sich nur eine Handvoll Briefe geschrieben, aber an dem alten Verständnis füreinander hatte sich nichts geändert.
    »Henry hat ein paar Papiere mitgenommen«, sagte Randolph,
    »kleine Umschichtungen des Familienvermögens.« Er sah sich argwöhnisch um; zu argwöhnisch.
    Elliott mußte wieder lachen.
    »Wenn alles so läuft wie geplant«, fuhr Randolph fort, »werde ich dir alles zurückzahlen, was ich dir schulde, und die Hochzeit wird binnen sechs Wochen stattfinden. Mein Wort darauf.«
    Elliott lächelte.
    »Randolph, die Hochzeit findet vielleicht statt, vielleicht auch nicht; sie löst vielleicht alle Probleme für uns beide…«
    »Sag das nicht, alter Junge.«
    »Aber ich muß die zwanzigtausend Pfund wiederhaben, bevor Edith nach Hause kommt.«
    »Gewiß, Elliott, gewiß.«
    »Weißt du, du könntest ab und zu einmal nein zu deinem Sohn sagen.«
    Randolph gab einen tiefen Seufzer von sich. Elliott bohrte nicht weiter. Er wußte wie alle, daß Henrys Niedergang nicht mehr lustig war; man konnte schon längst nicht mehr davon sprechen, daß er sich die Hörner abstieß oder ähnliches.

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