Die Mumie
darum.«
»Ja, Sire. Aber falls Sie diese Aufgabe aus irgendwelchen Gründen nicht übernehmen wollen, werde ich diesen Mann mit dem größten Vergnügen selbst töten.«
Ramses lachte leise. Wie sehr er diesen Mann mochte. So listig, und doch aufrichtig, geduldig, und dabei doch überaus scharfsinnig.
»Vielleicht sollten wir ihn gemeinsam töten, Samir«, sagte er.
»Aber wie auch immer, ich habe einen Bärenhunger. Wann wollen wir diese üppige Mahlzeit gemeinsam einnehmen, auf rosa Tischtüchern zwischen Palmen?«
»Schon bald, Sire, und bitte… seien Sie vorsichtig.«
»Samir, mach dir keine Sorgen«, erwiderte Ramses. Er nahm Samirs Hand. »Ich habe meine Anweisungen schon von Königin Julie erhalten. Ich darf nur ein Stück Fisch, ein Stück Ge-flügel, ein Stück Fleisch essen, und nicht alles gleichzeitig.«
Nun war es an Samir, leise zu lachen.
»Bist du immer noch unglücklich?« fragte Ramses.
»Nein, Sire. Ich bin sehr glücklich. Lassen Sie sich nie von meinem ernsten Gesichtsausdruck täuschen. Ich habe bis jetzt mehr gesehen, als ich mir in meinem Leben je hätte träumen lassen. Wenn Henry Stratford tot ist, werde ich nichts weiter verlangen.«
Ramses nickte. Bei diesem hier war sein Geheimnis vorerst sicher, das wußte er, auch wenn er diese Art von Weisheit und Resignation nicht ganz begreifen konnte. Er hatte es als Sterblicher nicht gekannt. Und jetzt kannte er es auch nicht.
Der Speisesaal der ersten Klasse war prunkvoll. Zahlreiche Herren mit weißen Fliegen und Fräcken und Damen mit tief ausgeschnittenen Kleidern hatten sich eingefunden. Als Julie an den Tisch kam und Platz nahm, eilte Alex ihr zu Hilfe. Auch Henry und Elliott erhoben sich. Julie nickte Elliott zu, brachte es jedoch nicht über sich, ihren Cousin auch nur anzusehen.
Sie drehte sich zu Alex um und legte ihre Hand auf seine. Bedauerlicherweise konnte sie nicht überhören, wie Henry Elliott wütend ins Ohr flüsterte. Sie hörte ihn sagen, was für ein Narr Alex doch war, daß er Julies Reise nicht hatte verhindern können.
Alex schien ziemlich ratlos zu sein. War dies der richtige Ort für die Wahrheit? Sie hatte das Gefühl, Alex gegenüber ehrlich sein zu müssen, andernfalls würde es nur noch schlimmer für Alex werden, und das mußte sie verhindern.
»Alex«, sagte sie mit gedämpfter Stimme, »ich bleibe vielleicht in Ägypten. Ich weiß selbst noch nicht, wie es weitergehen wird. Weißt du, mein Darling, manchmal glaube ich, du brauchtest jemanden, der ebenso gut ist wie du selbst.«
Ihre Worte überraschten ihn nicht. Er dachte nur einen Augenblick nach, bevor er antwortete. »Aber wie könnte ich eine Bessere als dich wollen? Ich folge dir in den Dschungel Afrikas, wenn du dorthin möchtest.«
»Du weißt nicht, was du sagst.«
Er beugte sich nach vorne und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich liebe dich, Julie. Alles in meinem Leben erscheint mir selbstverständlich. Aber du nicht. Und du bist mir teurer als der ganze Rest zusammengenommen. Julie, ich habe vor, um dich zu kämpfen, wenn es dazu kommen sollte.«
Was konnte sie nur sagen, ohne ihn zu verletzen? Sie sah plötzlich auf. Ramses und Samir waren da.
Einen Augenblick lang war sie sprachlos. Im weißen gestärkten Hemd und dem Frack ihres Vaters glich Ramses einer Vision. Als er sich setzte, schien seine kleinste Geste anmutiger und faszinierender als die aller anderen Anwesenden. Er strahlte förmlich vor Lebenskraft und Wohlbefinden. Sein blit-zendes Lächeln war wie ein Licht.
Doch dann geschah etwas. Er starrte Julies bloße Schultern an, den tiefen Ausschnitt ihres Kleides. Ganz besonders den winzigen Schatten zwischen ihren halbnackten Brüsten. Und Alex sah Ramses voll höflicher Entrüstung an. Und auch Samir, der sich links neben den Earl setzte, schien alarmiert.
Sie mußte etwas tun. Ramses, der sie immer noch anstarrte, als hätte er noch nie eine Frau gesehen, nahm den Stuhl links neben ihr.
Sie faltete ihm rasch die Serviette auf und flüsterte:
»Hier, auf den Schoß. Und hör auf, mich so anzustarren. Das ist ein Ballkleid, durchaus angemessen!« Dann wandte sie sich sofort Samir zu. »Samir, ich bin so froh, daß Sie diese Reise mit uns machen können.«
»Ja, und nun sind wir hier«, fügte Elliott sogleich hinzu, um kein Schweigen aufkommen zu lassen. »Wir nehmen das Dinner zusammen ein, genau wie ich es geplant hatte. Ist das nicht herrlich! Scheint sich doch alles nach meinen Vorstellungen zu
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