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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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ihre schaurige Last über der Hauptstadt abzuladen.
    Sie hörten in Cam Cottage jeden Morgen die Nachrichten, und ihre Herzen bluteten für London. Sophie sorgte sich insbesondere um das Haus in der Oakley Street und die Menschen, die dort wohnten. Die Friedmanns waren auf ihre Anweisung vom Dachgeschoß in das Souterrain gezogen, aber die Cliffords waren in ihren alten Zimmern geblieben, im ersten Stock, und jedesmal, wenn ein Luftangriff gemeldet wurde (was fast jeden Morgen geschah), malte Sophie sich aus, sie seien tot, verwundet, verbrannt oder unter Trümmern begraben.
    »Sie sind zu alt, um all das Schreckliche zu verkraften«, sagte sie zu ihrem Mann. »Warum bitten wir sie nicht, hierher zu kommen und bei uns zu wohnen?«
    »O Liebling, wir haben keinen Platz. Und selbst wenn wir welchen hätten, würden sie nicht kommen. Das weißt du doch. Sie sind Londoner. Sie würden nie gehen.«
    »Ich wäre ruhiger, wenn ich sie sehen könnte. Mit ihnen reden. Mich vergewissern, daß es ihnen gut geht.«
    Lawrence beobachtete seine junge Frau verstohlen und spürte ihre innere Unruhe. Sie saß nun schon seit zwei Jahren hier in Porthkerris fest, seine Sophie, die während ihrer ganzen Ehe nie länger als drei Monate hintereinander an einem Ort gewesen war. Und Porthkerris war jetzt, im Krieg, grau und trist und leer, ganz anders als der betriebsame kleine Ort, zu dem sie vor dem Krieg jeden Sommer dankbar geflohen waren. Sie langweilte sich nicht, weil sie sich nie langweilte, aber der Alltag wurde immer schwieriger, da Lebensmittel knapp wurden, die Zuteilungen kleiner und jeden Tag irgendeine Ware oder ein Artikel - Haarshampoo, Zigaretten, Zündhölzer, Kamerafilme, Whisky, Gin - , eine jener kleinen Annehmlichkeiten, die das Leben ein wenig leichter machten, aus den Regalen verschwand. Man mußte für alles Schlange stehen, und dann mußte man es den weiten Weg den Hügel hinaufschleppen, weil die Geschäftsleute alle nicht mehr genug Benzin hatten, um ihre Kunden zu beliefern. Benzin war vielleicht die größte Mangelware. Sie hatten immer noch den alten Bentley, aber er stand die meiste Zeit in dem dunklen Gewölbe von Grabneys Autowerkstatt, weil sie einfach nicht genug Benzin zugeteilt bekamen, um mehr als ein paar Kilometer zu fahren.
    Deshalb verstand er ihre Unruhe. Da er viele Frauen gekannt hatte, konnte er sich in sie hineinversetzen und hatte Verständnis. Er wußte, daß sie, obgleich es ihr vielleicht nur unterschwellig bewußt war, für einige Tage von ihnen allen fortgehen sollte. Er ließ sich Zeit, wartete auf eine Gelegenheit, das Thema zur Sprache zu bringen, aber sie schienen neuerdings keine Minute mehr allein zu sein, da es in dem kleinen Haus zuging wie in einem Taubenschlag. Doris und die Jungen und nun Penelope und das Baby waren überall, in jedem Zimmer, von morgens früh bis in den Abend hinein, und wenn sie dann endlich schlafen gingen, war Sophie so erschöpft, daß sie, wenn er sich ausgezogen hatte und zu ihr kam, gewöhnlich schon in einen tiefen und traumlosen Schlaf gefallen war. Eines Tages konnte er dann endlich unter vier Augen mit ihr sprechen. Er hatte Kartoffeln geerntet, was ihm große Mühe bereitete, da seine verkrüppelten Hände Schwierigkeiten hatten, den Spaten zu führen und die Knollen aus der Erde herauszusuchen, aber er hatte endlich einen Korb voll und brachte ihn durch die Hintertür in die Küche, wo seine Frau am Tisch saß und mit resignierter Miene einen Weißkohl kleinschnitt. »Kartoffeln.« Er stellte den Korb neben den Herd. Sie lächelte. Selbst wenn sie in einem Tief steckte, hatte sie für ihn immer jenes Lächeln. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und betrachtete sie. Sie war zu dünn. Um ihren Mund waren scharfe Linien, um die schönen dunklen Augen feine Runzeln. Er sagte: »Endlich sind wir mal allein. Wo sind die anderen?«
    »Penelope und Doris sind mit den Kindern zum Strand gegangen. Sie werden gleich wieder da sein. Sie wollten zum Essen zurückkommen.« Sie bearbeitete den Kohlkopf weiter. »Und ich setze ihnen das hier vor, und die Jungen werden bestimmt sagen, daß sie keinen Kohl mehr sehen können.«
    »Nur Kohl? Sonst nichts?«
    »Makkaroniauflauf.«
    »Du machst den besten Makkaroniauflauf, den es gibt.«
    »Er ist langweilig. Es ist langweilig, ihn zu machen und er schmeckt langweilig. Ich kann verstehen, wenn sie nörgeln.« Er sagte: »Du arbeitest zuviel.«
    »Nein.«
    »Doch. Du bist erschöpft und hast es satt.«
    Sie

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