Die Muschelsucher
darauf?«
»Ihre Mutter hieß so. Vielleicht ist es keine schlechte Idee. Du weißt ja, um die Wogen ein bißchen zu glätten«, erläuterte er mit einer ausdrucksvollen Handbewegung.
»Meinetwegen, nennen wir sie Nancy.« Penelope richtete sich auf und blickte auf das Gesicht des Babys hinunter. »Nancy. Irgendwie paßt der Name ganz gut zu ihr.«
Der Name des Kindes bereitete Lawrence nicht so viele Sorgen wie sein künftiges Verhalten.
»Es wird doch nicht von morgens bis abends schreien, nicht wahr? Ich kann plärrende Kinder nicht ausstehen.«
»O Papa, natürlich nicht. Sie ist sehr friedlich. Sie trinkt, und dann schläft sie, und dann wacht sie auf und saugt ihre Mutter wieder leer.«
»Kleine Kannibalin.«
»Glaubst du, sie wird hübsch werden, Papa? Du hast doch immer einen guten Blick für hübsche Gesichter gehabt.«
»Sie wird niedlich aussehen. Ein Renoir-Gesicht. Rosig und blühend. Eine Rose!«
Und dann Doris. Die meisten Evakuierten waren, des langen Zwangsexils müde, in ihrer abgetragenen Kleidung nach London zurückgekehrt, aber Doris und Ronald und Clark waren geblieben, wohnten nun auf Dauer in Cam Cottage und gehörten zur Familie. Bert, Doris’ Mann, war im Juni, während des Rückzugs der britischen Expeditionstruppen von der französischen Küste, gefallen. Der Telegrammjunge kam vom Postamt Porthkerris den Hügel heraufgeradelt und überbrachte die Nachricht. Er machte die Pforte auf und lief, vor sich hinpfeifend, durch den Garten, wo Sophie und Penelope damit beschäftigt waren, das Unkraut in den Rabatten zu jäten.
»Telegramm für Mrs. Potter.«
Sophie, die auf dem Boden kniete und die Hände voll Erde hatte, hob ihren zerzausten Kopf, und ihr Gesicht bekam einen Ausdruck, den Penelope noch nie gesehen hatte. »Oh, mon Dieu«, flüsterte sie rauh.
Sie nahm den orangefarbenen Umschlag, und der Junge ging wieder. Die Pforte knallte hinter ihm zu.
»Sophie?«
»Bestimmt ihr Mann.«
Nach einer Weile flüsterte Penelope: »Was sollen wir tun?« Sophie antwortete nicht. Sie wischte sich einfach die Hand am Hosenboden ab und schlitzte den Umschlag mit ihrem schmutzigen Daumen auf. Sie nahm das Telegramm heraus und las es, und faltete es dann wieder zusammen und steckte es in den Umschlag zurück.
»Ja«, sagte sie. »Er ist gefallen.« Sie stand auf. »Wo ist Doris?«
»Hinten auf der Wiese. Sie hängt Wäsche auf.«
» Und die Jungen?«
»Sie müssen jeden Augenblick von der Schule kommen.«
»Ich muß es ihr sagen, bevor sie da sind. Halt sie hier fest und gib ihnen irgendwas zu tun, wenn ich bis dann nicht zurück bin. Sie muß Zeit haben. Sie braucht Zeit, ehe sie es ihnen sagen kann.«
»Arme Doris.« Es klang entsetzlich unzulänglich, banal, sogar einfältig. Aber was fiel einem sonst zu sagen ein? »Ja. Arme Doris.«
»Was wird sie tun?«
Doris benahm sich ungeheuer tapfer. Sie weinte natürlich und ließ ihrem Kummer und Zorn in einer heftigen Tirade gegen ihren jungen Ehemann, der so verdammt idiotisch gewesen sei, in den Krieg zu gehen und sich umbringen zu lassen, freien Lauf. Doch als das vorbei war und sie sich zusammengerissen hatte, mit Sophie am Küchentisch saß und eine Tasse starken schwarzen Tee trank, drehten sich alle ihre Gedanken um ihre beiden Söhne. »Die armen kleinen Teufel, was für ein Leben werden sie ohne einen Dad haben?«
»Kinder verkraften eine Menge.«
»Wie zum Teufel soll ich es schaffen?«
»Sie werden es schaffen. Irgendwie.«
»Angenommen, ich gehe wieder zurück nach Hackney. Berts Mam... na ja, sie kann mich vielleicht brauchen. Sie wird die Jungs sehen wollen.«
»Ich finde, Sie sollten gehen. Helfen Sie ihr, das Schlimmste zu überstehen. Und wenn es ihr wieder einigermaßen geht, kommen Sie wieder zu uns. Die Jungen fühlen sich hier wohl, sie haben Freunde gefunden, und es wäre grausam, sie wieder zu verpflanzen. Lassen Sie ihnen das bißchen an Sicherheit und Geborgenheit, was sie haben.«
Doris starrte Sophie an. Sie schniefte ein wenig. Sie hatte eben erst aufgehört zu weinen, und ihr Gesicht war noch ganz rot und geschwollen. »Aber ich kann nicht einfach hier bleiben, ich meine, in alle Ewigkeit.«
»Warum nicht? Sie fühlen sich doch wohl bei uns, nicht wahr?«
»Sie sagen es nicht nur aus Mitleid?«
»Oh, meine liebe Doris, ich weiß nicht, was wir ohne Sie tun sollten. Und die Jungs sind wie unsere eigenen Kinder.
Wir würden Sie so vermissen, wenn Sie nicht mehr da wären.«
Doris dachte darüber
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