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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Du denkst nur daran, was mit dir geschieht und wie du schnell und leicht an Geld kommen kannst.« Noels Mund klappte zu, die Farbe wich aus seinen dünnen Wangen, und sein Gesicht verzerrte sich vor unterdrückter Wut. »Ich habe die beiden Tafelbilder bis heute nicht verkauft, und ich werde sie vielleicht nie verkaufen, aber wenn ich es doch tue, werde ich das Geld für mich behalten, weil es mir gehört und weil ich damit machen kann, was ich will, und das größte Geschenk, das Eltern ihren Kindern machen können, ist, daß sie nicht von ihnen abhängig werden. Nicht auf seine Kinder angewiesen sein. Begreifst du das, oder geht es über deinen Horizont? Und was dich und deinen Mann betrifft, Nancy, so habt ihr ganz allein beschlossen, eure Kinder auf diese lächerlich teuren Schulen zu schicken. Ihr hättet ihnen vielleicht nicht immer sagen sollen, daß sie für etwas Besseres bestimmt sind, und statt dessen etwas mehr Zeit darauf verwenden sollen, ihnen gute Manieren beizubringen. Dann wären sie sicher nicht so unerträglich frech und naseweis geworden.«
    Mit einer Spontaneität, die sie selbst überraschte, kam Nancy ihren Sprößlingen zu Hilfe: »Ich wäre dir dankbar, wenn du meine Kinder aus dem Spiel lassen würdest.«
    »Es ist höchste Zeit, daß jemand es dir einmal sagt.«
    »Welches Recht hast du überhaupt dazu? Du interessierst dich nicht für sie. Deine überspannten Freunde und dein blöder Garten sind dir wichtiger als deine eigenen Enkelkinder. Du kommst nie, um sie zu besuchen. Und du kommst nicht, um uns zu besuchen, egal, wie oft wir dich einladen.«
    Noel verlor die Geduld. »Oh, um Himmels willen, Nancy, halt den Mund«, sagte er zornig. »Wir reden nicht von deinen Kindern. Wir versuchen, ein vernünftiges Gespräch zu führen.«
    »Sie haben sehr viel damit zu tun. Sie sind die kommende Generation.«
    »Gott beschütze uns.«
    »...und unsere finanzielle Unterstützung ist viel wichtiger als irgendeiner deiner verrückten Pläne, noch mehr Geld zu verdienen. Mutter hat recht. Du würdest alles verjubeln und verspielen.«
    »Und das aus deinem Mund! Es ist wirklich ein Witz. Du hast doch in deinem ganzen Leben noch nie eine eigene Meinung gehabt und von nichts je etwas verstanden.«
    Nancy sprang auf. »Jetzt reicht’s mir aber. Ich habe es nicht nötig, mich beleidigen zu lassen. Ich fahre nach Hause.«
    »Ja«, sagte ihre Mutter. »Ich finde, es ist Zeit, daß ihr geht, alle beide. Und ich glaube, es ist gut, daß Olivia nicht da ist. Wenn sie euch gehört hätte, hättet ihr nichts zu lachen gehabt. Ich bin sicher, daß ihr diese abscheuliche Diskussion nicht angefangen hättet, wenn sie hier gewesen wäre. Und jetzt.« Sie stand ebenfalls auf und nahm das Tablett. »Ihr seid beide vielbeschäftigte Leute, wie ihr mir in einem fort versichert. Es wäre sinnlos, den Rest des Nachmittags für einen nutzlosen Streit zu vergeuden. Ich werde jedenfalls in die Küche gehen und das Geschirr spülen.« Während sie sich zur Küche wandte, schoß Noel seinen letzten Giftpfeil ab: »Ich bin sicher, Nancy wird dir gern helfen. Es scheint eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen zu sein, schmutziges Geschirr zu waschen - oder, besser gesagt, schmutzige Wäsche.«
    »Ich sagte bereits, ich habe genug. Ich fahre nach Haus. Und was das Geschirr betrifft, das kann Mutter ja ruhig stehenlassen. Antonia wird sich darum kümmern, wenn sie wieder zurück ist. Sie ist doch wohl das neue Mädchen für alles?«
    Penelope blieb wie angewurzelt in der Tür stehen. Sie drehte sich um und sah Nancy an, und in ihren dunklen Augen war ein solcher Ausdruck des Abscheus, daß Nancy befürchtete, diesmal wirklich zu weit gegangen zu sein.
    Aber ihre Mutter warf ihr das Tablett nicht an den Kopf. Sie sagte nur sehr leise: »Nein, Nancy, sie ist nicht das neue Mädchen für alles. Sie ist meine Freundin. Mein Gast.« Sie ging aus dem Zimmer. Kurz darauf hörten sie das Rauschen des Wassers und das Klappern von Porzellan und Silberbestecken. Das Schweigen, das sich herabsenkte, wurde nur durch eine große Schmeißfliege gestört, die dem Trugschluß erlegen war, es sei urplötzlich Sommer geworden, und den Augenblick für günstig hielt, ihr Versteck zu verlassen und durch den Wintergarten zu summen. Nancy langte nach ihrer Kostümjacke und zog sie an. Während sie sie zuknöpfte, hob sie den Kopf und sah ihren Bruder an. Ihre Blicke begegneten sich. Er stand langsam auf. »Hm«, meinte er gelassen. »Du hast alles total

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