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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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gekämmten Haar und dunkelbraunen Augen hinter einer dicken Hornbrille, die sie höflich musterten. Er trug einen dezent gemusterten und hervorragend geschnittenen Tweedanzug und eine unauffällig gestreifte Krawatte. Mit einer Melone und einem Feldstecher bewaffnet, hätte er dem feinsten Rennplatz zur Ehre gereicht.
    »Mrs. Keeling?«
    »Ja. Guten Tag, Mr. Brookner.« Sie gaben sich die Hand. »Ich habe gerade die Aussicht bewundert. Ein wunderschöner Flecken Erde und ein reizendes Haus.«
    »Ich fürchte, ich muß Sie durch die Küche hereinbitten. Ich habe keine Diele.« Sie führte ihn ins Haus, und sein Blick richtete sich sofort auf den Durchgang zum Wintergarten, der, gerade von Sonnenlicht erfüllt, wie eine lockende grüne Oase war. »Ich würde gern auf eine Diele verzichten, wenn ich eine solche Küche hätte. und noch dazu einen Wintergarten.«
    »Den Wintergarten habe ich anbauen lassen, aber alles andere ist mehr oder weniger so, wie ich es vorgefunden habe.«
    »Wohnen Sie schon lange hier?«
    »Nein. Erst sechs Jahre.«
    »Sie leben allein?«
    »Ja, meist. Im Augenblick habe ich Besuch von einer jungen Freundin, aber sie ist den Nachmittag über fort. Sie fährt meinen Gärtner nach Oxford. Sie haben den Motormäher auf den Rücksitz geladen und wollen ihn schleifen lassen.« Mr. Brookner blickte ein wenig überrascht drein. »Sie müssen ganz nach Oxford, um den Rasenmäher schleifen zu lassen?«
    »Nein, aber ich wollte sie nicht hier haben, während Sie da sind«, erklärte sie ihm unverblümt. »Außerdem kaufen sie Saatkartoffeln und einige Dinge für den Garten, so daß die Fahrt nicht umsonst sein wird. Nun. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Nein, vielen Dank.«
    »Gut.«
    Er stand da und sah aus, als könne er es nicht erwarten. »Hm. In dem Fall sollten wir vielleicht keine Zeit mehr verlieren. Gehen wir nach oben und sehen wir uns zuerst die Tafelbilder an?«
    »Wie Sie wünschen«, sagte Mr. Brookner.
    Sie führte ihn die Treppe hinauf in den winzigen Flur im ersten Stock. »Da sind sie, rechts und links von der Tür zu meinem Schlafzimmer.
    Es waren die letzten Bilder, die mein Vater gemalt hat. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber er hatte schwere Arthritis in den Händen. In der Zeit, als diese beiden Bilder entstanden, konnte er kaum noch den Pinsel halten, und deshalb sind sie unvollendet. Wie Sie sicher bemerken werden.« Sie trat zur Seite, damit Mr. Brookner vortreten konnte, um die Bilder näher in Augenschein zu nehmen, wieder zurücktreten (nur einen halben Meter, weil er sonst rücklings die Treppe hinuntergefallen wäre) und erneut vortreten. Er sagte nichts. Vielleicht gefielen sie ihm nicht. Um ihre plötzliche Nervosität zu kaschieren, fing sie wieder an zu reden. »Sie haben eine ganz lustige Geschichte. Wir hatten ein kleines Haus in Cornwall, in Porthkerris, ein kleines Haus auf einem Hügel, und wir hatten nicht genug Geld, um es instand zu halten, so daß es immer mehr herunterkam, verstehen Sie? Die Diele war mit einer alten Tapete von William Morris tapeziert, aber sie wurde brüchig und bekam Risse, und meine Mutter hatte kein Geld für eine neue, und deshalb schlug sie Papa vor, er solle einfach zwei hohe dekorative Tafelbilder malen, um die schlimmsten Stellen zu überdecken. Und sie wollte etwas in seinem alten Stil, etwas Allegorisches und Märchenhaftes, das nicht zum Verkauf bestimmt wäre und ganz allein ihr gehören sollte. Er tat es, und dies ist das Ergebnis. Aber er konnte sie nicht beenden. Sophie. meine Mutter störte es nicht. Sie sagte, sie gefielen ihr deshalb um so mehr.«
    Er hatte immer noch nichts zu den beiden Bildern gesagt. Sie fragte sich, ob er nur überlegte, wie er ihr taktvoll beibringen könne, daß sie nichts wert seien, als er sich unvermittelt umdrehte und lächelte.
    »Sie sagen, sie seien unvollendet, Mrs. Keeling, aber sie sind trotzdem auf eine wunderbare Art vollendet. Vollendete Meisterwerke. Natürlich nicht so herrlich ausgearbeitet wie die großen Werke, die er um die Jahrhundertwende gemalt hat, aber auf ihre Weise vollkommen. Und was für ein unvergleichlicher Kolorist er war. Sehen Sie sich das Blau des Himmels an.«
    Sie war voll Dankbarkeit. »Ich freue mich so, daß sie Ihnen gefallen. Meine Kinder haben sie immer entweder ignoriert oder abfällige Bemerkungen über sie gemacht, aber mir haben sie immer große Freude bereitet.«
    »Das kann ich verstehen.« Er riß sich von der Betrachtung los. »Haben Sie

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