Die Muschelsucher
Porthkerris für immer. Papa brachte uns zum Bahnhof und verabschiedete sich von uns, und ich habe ihn nicht wiedergesehen.
Das Haus in der Oakley Street war riesengroß. So groß, daß Papa und Sophie und ich immer im Souterrain wohnten und im Erdgeschoß schliefen und die anderen beiden Stockwerke vermieteten. Auf diese Weise kamen die laufenden Kosten herein, und wir konnten das Haus halten. Ich machte es genauso. Ein Ehepaar, Willi und Lalla Friedmann, hatte den ganzen Krieg über in der Oakley Street gewohnt, und sie blieben. Sie hatten eine kleine Tochter, mit der Nancy spielen konnte, und sie waren meine Dauermieter. Die anderen Bewohner wechselten ziemlich oft. Es war eine buntgemischte Schar, meist Maler und Schriftsteller und junge Leute, die zum Fernsehen wollten. Leute nach meinem Geschmack. Nicht nach Ambroses Geschmack. Dann kam Ambrose zurück. Er kam nicht nur zurück, er verließ die Navy und nahm eine Stelle in dem alten Unternehmen der Familie seines Vaters an, Keeling & Philips, dem Verlag in St. James. Ich war ziemlich überrascht, als er es mir sagte, aber ich denke, es war alles in allem das Richtige. Später fand ich heraus, daß er sich schlecht geführt hatte, als er im Fernen Osten war - er hatte seinem Kapitän gegenüber wenig ehrerbietige Bemerkungen gemacht und anderes mehr und bekam negative Vermerke in seine Dienstakte. Wenn er bei der Navy geblieben wäre, wäre er vermutlich nicht sehr weit gekommen.
Wir lebten also zum erstenmal in unserer Ehe richtig zusammen. Wir besaßen nicht viel, aber wir besaßen mehr als die meisten anderen jungen Ehepaare. Wir waren jung, wir waren gesund, Ambrose hatte eine Arbeit, und wir hatten ein Haus, in dem wir wohnten. Abgesehen davon hatten wir aber nichts, nichts Gemeinsames, worauf wir eine Beziehung aufbauen konnten. Ambrose war sehr konventionell und ein gesellschaftlicher Snob. Er dachte immerzu nur daran, wie er sich mit den richtigen Leuten anfreunden könne. Und ich war exzentrisch und unbedacht und auch sehr unzuverlässig, wie mir heute klar ist. Aber die Dinge, die Ambrose wichtig fand, waren für mich läppisch und belanglos, und ich konnte seine Begeisterung nicht teilen. Und dann immer dieses schreckliche Geld. Ambrose gab mir nie etwas. Vermutlich dachte er, ich hätte meine eigenen festen Einnahmen, was ja auch in gewisser Hinsicht stimmte, aber ich hatte nie genug Bargeld in der Tasche. Außerdem war Geld in meiner Familie etwas, das man hatte - wenn man Glück hatte - , worüber man aber nicht sprach. Im Krieg hatte ich den Zuschuß von der Navy, und Papa hatte dann und wann etwas auf mein Konto überwiesen, damit ich die Rechnungen für den Haushalt bezahlen konnte, aber es gab ohnehin keine Luxusartikel, für die man Geld ausgeben konnte, und da sowieso alle bettelarm waren, schien es keine große Rolle zu spielen.
Aber als Frau von Ambrose, in London, sah auf einmal alles ganz anders aus. Inzwischen war meine zweite Tochter, Olivia, geboren, so daß wir zu viert waren. Und das Haus war in sehr schlechtem Zustand. Es hatte Gott sei Dank keine Bombenschäden, aber die Mauern bekamen Risse, und der Putz bröckelte von den Wänden, und wir mußten eine Menge machen lassen, damit es nicht völlig herunterkam. Wir mußten neue elektrische Leitungen legen und das Dach reparieren. Dann streikten die Wasserleitungen, und außerdem mußte es natürlich von außen und innen neu gestrichen werden. Als ich mit Ambrose darüber redete, sagte er, es sei mein Haus, und ich müsse deshalb für die Reparaturkosten aufkommen, und deshalb verkaufte ich zuletzt vier wertvolle Bilder von Charles Rainier, die Papa gehört hatten, und ließ von dem Geld das Notwendigste richten, und nun war wenigstens das Dach dicht, und ich stand keine Todesängste mehr aus, daß die Kinder einen tödlichen Stromschlag bekommen würden, wenn sie den Finger in die uralten Steckdosen steckten.
Und dann kam der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Die Mutter von Ambrose, Dolly Keeling - sie hatte den Krieg über in Devon vor den Bomben Schutz gesucht - , kam nach London zurück. Sie mietete ein kleines Haus in der Lincoln Street, und vom ersten Moment an fing sie an, Schwierigkeiten zu machen. Sie hatte mich noch nie gemocht. Ich nehme es ihr aber nicht wirklich übel. Sie hat mir nie verziehen, daß ich schwanger wurde, daß ich Ambrose ›hereinlegte‹, daß er, wie sie annahm, mich heiraten mußte. Er war ihr einziges Kind, und sie liebte ihn
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