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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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abgöttisch und war ungeheuer besitzergreifend. Sie nahm ihn also wieder in Besitz. Mit Ambrose verheiratet zu sein, war auf einmal so, wie den Hund eines anderen in Pflege zu haben. Er tat alles, was seine Mutter wollte. Auf dem Rückweg vom Büro ging er auf einen Drink zu ihr. das Tee-und-Mitgefühl-Syndrom, nehme ich an. Sonnabend morgens ging er mit ihr einkaufen, und sonntags fuhr er sie zur Kirche. Es hätte selbst den Frömmsten zum Atheisten gemacht. Der Ärmste. Es ist sehr schwer, mit geteilten Loyalitäten zu leben. Und er brauchte die Bewunderung und Aufmerksamkeit, die Dolly ihm geben konnte, ich dagegen nicht. Außerdem war das Haus in der Oakley Street alles andere als ein friedlicher und stiller Hafen im Trubel der Welt. Ich war gern mit meinen Freunden zusammen, und Lalla Friedmann und ich hatten uns immer sehr nahe gestanden. Und ich mochte Kinder. Viele Kinder. Nicht nur Nancy, sondern auch alle ihre kleinen Schulfreundinnen. Bei schönem Wetter war der Garten immer voll mit Kindern, sie hingen mit dem Kopf nach unten von Tauen, die zwischen zwei Bäume gespannt waren, oder sie saßen in Lebensmittelkartons und spielten weiß Gott was. Diese kleinen Freundinnen hatten natürlich alle Mütter, und die Mütter kamen und sahen nach ihnen, und wir saßen in der Küche und tranken Kaffee und unterhielten uns. Es war immer etwas los, entweder kochte ich Marmelade, oder jemand schnitt ein Kleid zu oder machte Teekuchen, und der Fußboden war immer von allem möglichen Spielzeug bedeckt.
    Ambrose konnte es nicht ertragen. Er sagte, es gehe ihm auf die Nerven, nach der Arbeit nach Hause zu kommen und ein Tohuwabohu vorzufinden. Er fand es plötzlich zu eng, er fand das Souterrain zu klein, zumal uns das ganze Haus gehörte. Er fing an, davon zu reden, daß wir die Untermieter loswerden sollten, um die freiwerdenden Zimmer selbst zu benutzen. Er wollte ein Eßzimmer für Dinnerpartys haben, einen Salon für Cocktailpartys und ein Schlafzimmer mit anschließendem Ankleidezimmer und Bad für uns selbst. Ich verlor die Beherrschung und fragte ihn, wovon wir denn leben sollten ohne die Miete, die laufend hereinkam. Er war drei Wochen lang böse und verbrachte mehr Zeit denn je bei seiner Mutter.
    Es wurde eine Sisyphusarbeit, über die Runden zu kommen. Wir stritten fast jeden Tag um Geld. Ich wußte nicht mal, wieviel er verdiente, und hatte deshalb nie ein gewichtiges Argument. Aber irgend etwas mußte er ja verdienen - was machte er also damit? Hielt er seine Freunde im Pub frei? Kaufte er Benzin für den kleinen Wagen, den seine Mutter ihm geschenkt hatte? Oder gab er alles für Kleidung aus? Er legte immer übertrieben viel Wert auf Kleidung. Ich wurde neugierig, ich mußte es herausbekommen. Ich fing an herumzuschnüffeln. Ich fand seine Kontoauszüge und sah, daß sein Konto um mehr als tausend Pfund überzogen war. Ich war so naiv und unerfahren, daß ich zuletzt dachte, er müsse eine Geliebte haben und gebe sein ganzes Geld dafür aus, ihr eine Wohnung in Mayfair zu bezahlen und ihr Nerzmäntel zu kaufen. Schließlich sagte er es mir selbst. Ihm blieb nichts anderes übrig. Er schuldete einem Buchmacher fünfhundert Pfund und mußte die Summe binnen einer Woche zurückzahlen. Ich weiß noch, daß ich gerade Erbsensuppe kochte und dauernd umrührte, damit die Erbsen nicht am Topfboden kleben blieben. Ich fragte ihn, wie lange er sein Geld schon für Pferdewetten ausgegeben hätte, und er sagte, seit drei oder vier Jahren. Und ich fragte noch andere Dinge, und da kam alles heraus. Ich glaube, er war das, was man heute einen zwanghaften Spieler nennen würde. Er ging in private Spielclubs. Er hatte ein- oder zweimal an der Börse spekuliert und viel Geld verloren. Und ich hatte die ganze Zeit nicht den leisesten Verdacht gehabt. Aber jetzt beichtete er alles, er schämte sich sogar ein wenig und war verzweifelt. Er mußte das Geld unbedingt beschaffen. Ich sagte ihm, ich hätte es nicht. Ich sagte, er solle zu seiner Mutter gehen, aber er antwortete, das hätte er früher schon einmal getan, und sie hätte ihm geholfen, aber nun hätte er nicht den Mut, sie noch einmal zu bitten. Und dann sagte er, ich könnte doch die Bilder verkaufen, die drei Bilder von Lawrence Stern, die alles waren, was ich von den Werken meines Vaters besaß. Und als er das sagte, bekam ich fast genausoviel Angst wie er, weil ich wußte, daß er durchaus imstande war, einfach zu warten, bis er allein im Haus war, um dann die

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