Die Muschelsucher
Bilder von der Wand zu nehmen und zu einem Auktionshaus zu bringen. Die Muschelsucher waren nicht nur mein wertvollster Besitz, sie gaben mir auch immer wieder Trost und inneren Frieden. Ich konnte nicht ohne sie leben, und das wußte er, und so sagte ich ihm, daß ich die fünfhundert Pfund auftreiben würde, und ich tat es, indem ich meinen Verlobungsring und den Verlobungsring meiner Mutter verkaufte. Danach beruhigte er sich und wurde wieder der alte, so eingebildet und selbstzufrieden wie früher. Er hörte eine Zeitlang auf zu spielen. Er hatte einen bösen Schock bekommen, der nachwirkte. Aber es dauerte nicht lange, und er fing wieder an, und wir mußten wieder von der Hand in den Mund leben.
1955 wurde Noel dann geboren, und gleichzeitig mußten wir die erste Schulrechnung bezahlen. Ich hatte immer noch das kleine Haus in Cornwall, Cam Cottage. Ich hatte es geerbt, als Papa gestorben war, und ich klammerte mich jahrelang daran und vermietete es an jeden, der es haben wollte, und sagte mir, eines Tages würde ich mit meinen Kindern dorthin fahren und den Sommer dort verbringen. Aber ich tat es nie. Und dann bekam ich ein sehr gutes Angebot für das Haus, zu gut, um es abzulehnen, und ich verkaufte es. Als ich das tat, wußte ich, daß ich Porthkerris für immer verloren hatte, daß ich die letzte Verbindung durchtrennt hatte. Als ich später das Haus in der Oakley Street verkaufte, hatte ich vor, nach Cornwall zurückzugehen und ein kleines Haus aus Granitstein mit einer Palme im Garten zu kaufen. Aber meine Kinder wollten nichts davon wissen und redeten es mir aus, und dann fand mein Schwiegersohn dieses Haus hier, und so werde ich meine letzten Jahre nun in Gloucestershire verbringen und nicht an einem Ort, wo ich das Meer sehen kann. Und hören kann.« »Ich habe Ihnen das alles erzählt und bin immer noch nicht zur Sache gekommen, nicht wahr? Ich habe Ihnen immer noch nicht gesagt, wie ich die Skizzen gefunden habe.«
»Sie sagten, sie seien im Atelier Ihres Vaters gewesen?«
»Ja, hinter all den Sachen versteckt, die sich in einem langen Künstlerleben ansammeln.«
»Wann war das? Wann haben Sie sie gefunden?«
»Noel war ungefähr vier Jahre alt. Wir brauchten Platz für die Familie, die immer größer wurde, und hatten ein paar Zimmer dazugenommen. Aber in den übrigen Räumen lebten immer noch Untermieter. Dann stand eines Tages ein junger Mann an der Tür. Er war ein angehender Maler, sehr groß und dünn, er sah ärmlich aus, aber er war sehr wohlerzogen und höflich. Irgend jemand hatte ihm gesagt, ich könne ihm vielleicht helfen. Er hatte ein Stipendium an der Slade-Akademie bekommen, konnte aber keine Wohnung finden. Bei uns war nicht einmal mehr eine Besenkammer frei, aber seine Art und sein Aussehen gefielen mir, und ich bat ihn herein, gab ihm etwas zu essen und ein Glas Bier, und wir unterhielten uns. Als er fertig war und gehen wollte, war ich so sehr von ihm eingenommen, daß ich mich einfach nicht damit abfinden wollte, ihm nicht helfen zu können. Und da fiel mir das Atelier ein. Ein Holzschuppen im Garten, aber massiv gebaut und regendicht. Er könnte dort schlafen und arbeiten, und ich könnte ihm Frühstück machen, und er könnte das Badezimmer und die Waschküche benutzen. Ich schlug es ihm vor, und er war außer sich vor Freude. Ich holte auf der Stelle den Schlüssel, und wir gingen hinaus und sahen uns das Atelier an. Es war schmutzig und staubig und voll von alten Liegen und Kommoden und den Staffeleien, Paletten und Leinwänden meines Vaters, aber es war solide gebaut und trocken und hatte ein Oberlicht nach Norden, was es für den jungen Mann noch verlockender machte. Wir einigten uns auf die Miete und das Einzugsdatum. Er ging, und ich machte mich sofort an die Arbeit. Es dauerte Tage, und ich mußte einen alten Trödler kommen lassen, den ich gut kannte, der lud das Gerumpel auf seinen Karren und brachte es fort. Es waren viele Fuhren, aber dann war es endlich soweit, und wir schafften die letzten Sachen hinaus. Da fand ich die Mappe hinter einer alten Truhe an der rückwärtigen Wand. Ich brauchte nur einen Blick hineinzuwerfen, um zu wissen, daß es Ölskizzen zu den Gemälden meines Vaters waren, aber ich hatte keine Ahnung, was sie wert sein mochten. Lawrence Stern war damals nicht allzu gefragt, und wenn ein Bild von ihm auf den Markt kam, brachte es vielleicht fünf- oder sechshundert Pfund. Aber der Fund der Skizzen war so, als hätte ich ein Geschenk aus der
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