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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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zum Museum. Wir sind seit Wochen nicht mehr da gewesen.« Das Museum. Das bedeutete, daß sie alle etwaigen Pläne für den restlichen Nachmittag begraben mußte. Sie war drauf und dran, Einwände zu erheben, als sie sich ihm zuwandte, doch als sie den freudigen Ausdruck in seinen dunklen Augen sah, hatte sie nicht das Herz, ihm den Spaß zu verderben. Sie lächelte zustimmend und hakte sich bei ihm unter. »Gut. Die Landungsboote und dann das Museum. Aber lassen wir uns Zeit. Sonst sind wir völlig außer Atem, wenn wir unten ankommen.«
    Im Museum war es immer kalt, selbst im August. Die dicken Mauern aus Granit wurden nie von der Sonne erwärmt, und die hohen Fenster waren nicht dicht, so daß es bei jedem Lufthauch zog, der draußen ging. Außerdem war der Fußboden mit Schieferplatten belegt, das Haus hatte keine Heizung, und die Böen vom Meer drückten gegen das Oberlicht an der Nordseite und ließen den Rahmen bedrohlich klappern. Mrs. Trewey, die heute Dienst hatte, saß mit einem Schal um die Schultern an einem alten, mit Katalogen und Ansichtskarten beladenen Spieltisch neben der Tür und ließ sich die Schienbeine von einem kleinen elektrischen Heizstrahler wärmen.
    Penelope und Lawrence waren die einzigen Besucher. Sie saßen nebeneinander auf dem langen, uralten Ledersofa in der Mitte des Raums. Sie sprachen nicht miteinander. Das war eine Tradition. Lawrence wollte nie sprechen, wenn er hier war. Er wollte ungestört sein und, das Kinn in die Hände gestützt, die auf dem Knauf des Spazierstocks ruhten, vorgebeugt dasitzen, die vertrauten Werke betrachten, sich an vergangene Zeiten erinnern und ausgiebig mit seinen alten Freunden kommunizieren, von denen so viele inzwischen tot waren.
    Penelope, die sich damit abfand, zog die Strickjacke enger um sich, lehnte sich zurück und streckte ihre langen, braungebrannten bloßen Beine aus. Ihre Turnschuhe hatten vorn Löcher. Sie dachte an Schuhe. Nancy brauchte welche, aber sie brauchte auch einen neuen dicken Pullover, denn der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, und sie hatte nicht genug Textilmarken für beides. Schuhe waren wohl wichtiger. Was den Pullover betraf, würde sie vielleicht irgendwo ein altes gestricktes Kleidungsstück finden und aufribbeln und aus der so erhaltenen Wolle einen Pullover stricken können. Es wäre nicht das erste Mal, aber es war eine langwierige und mühsame Arbeit, vor der ihr graute. Wie schön es wäre, wenn sie einfach losgehen und neue Wolle kaufen könnte, rosarot oder tiefgelb und dick und weich, um Nancy daraus etwas wirklich Hübsches zu stricken.
    Hinter ihnen wurde die Tür geöffnet und wieder geschlossen. Ein kalter Luftzug strich durch den Raum und erstarb. Noch ein Besucher. Weder Penelope noch ihr Vater regten sich. Schritte. Ein Mann. Er wechselte einige Worte mit Mrs. Trewey. Und dann langsame Schritte von Stiefeln, und dazwischen kurze Pausen, wenn der neue Besucher vor den einzelnen Bildern stehenblieb. Nach ungefähr zehn Minuten trat er in Penelopes Gesichtsfeld. Immer noch an Nancys Pullover denkend, drehte sie den Kopf etwas zur Seite und sah den Rücken eines Mannes in Uniform, der nur der Major von der Königlichen Marineinfanterie sein konnte, der vorhin so schneidig zum Parkplatz gegangen war, um sich mit dem Jeep zum Ort hinunter fahren zu lassen. Kampfuniform aus Khaki, grüne Baskenmütze, eine Krone auf den Schulterriemen. Unverkennbar. Sie beobachtete, wie er langsam, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, in ihre Richtung kam. Als er nur noch wenige Meter entfernt war, wandte er sich, ihrer Anwesenheit bewußt, zögernd um, als wäre es ihm unangenehm, sie beim Betrachten der Bilder zu stören. Er war groß und sehnig und hatte, abgesehen von einem Paar überraschend heller und klarer blauer Augen, ein Durchschnittsgesicht. Penelope begegnete seinem Blick und wurde verlegen, weil sie sich bei ihrer Musterung ertappt fühlte. Sie sah schnell woandershin. Es war Lawrence, der das Schweigen brach. Er hatte den anderen Besucher erst jetzt wahrgenommen und hob den Kopf, um zu sehen, wer er sein mochte.
    Eine neue Bö ließ das Oberlicht wieder erbeben und klappern. Als das Geräusch verklungen war, sagte Lawrence: »Guten Tag.«
    »Guten Tag, Sir.«
    Die unter einer breiten schwarzen Hutkrempe hervorschauenden Augen verengten sich interessiert. »Sind Sie nicht der Herr, den wir oben mit einem Jeep wegfahren sahen?«
    »So ist es, Sir. Sie standen auf der anderen

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