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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Ambrose, aber sie war aus irgendeinem Grund immer etwas Besonderes. Nicht etwas anderes, einfach etwas Besonderes.« Sie fuhr tastend fort, wählte die Worte mit großer Sorgfalt, als sie Doris etwas gestand, das sie kaum sich selbst, geschweige denn irgendeinem anderen lebenden Menschen gestanden hatte. »Es war, als sei irgendein Teil von Richards Körper in mir geblieben. Konserviert, wie köstliches Essen in einer Kühltruhe. Und als Olivia geboren wurde, wurde ein Atom, ein Partikel, eine Zelle von Richard durch mich ein Teil von ihr.«
    »Aber sie war nicht sein Kind.« Penelope schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein.«
    »Aber du hattest das Gefühl, sie wäre es irgendwie.«
    »Ja.«
    »Ich verstehe es.«
    »Ich habe gewußt, daß du es verstehen würdest. Deshalb habe ich es dir gesagt. Und du wirst auch verstehen, wenn ich dir sage, wie froh ich war, als ich sah, daß sie Papas Atelier abgerissen haben und dort Ferienwohnungen gebaut haben. Daß es für immer fort ist. Ich weiß jetzt, daß ich stark genug bin, um mit fast allem fertig zu werden, aber ich glaube nicht, daß ich je stark genug gewesen wäre, um dorthin zurückzugehen.«
    »Nein. Das kann ich auch verstehen.«
    »Und noch etwas. Als ich wieder nach London gegangen war, habe ich mich mit seiner Mutter in Verbindung gesetzt.«
    »Ich habe mich gefragt, ob du es tun würdest.«
    »Ich brauchte lange, bis ich den Mut dazu fand, aber endlich hatte ich ihn gefunden und rief sie an. Wir haben zusammen zu Mittag gegessen. Es war eine Qual für uns beide. Sie war sehr zuvorkommend und freundlich, aber wir hatten außer Richard nichts, worüber wir reden konnten, und schließlich wurde mir bewußt, daß es einfach zuviel war für sie. Ich habe sie danach nie wiedergesehen. Wenn ich mit Richard verheiratet gewesen wäre, hätte ich versucht, sie zu trösten und ihr darüber hinwegzuhelfen, aber so hatte ich ihren tragischen Verlust irgendwie nur noch schlimmer gemacht, glaube ich.«
    Doris sagte nichts. Von draußen, durch die offene Tür, hörten sie, wie der Volvo langsam die steile und schmale Straße heruntergefahren kam. Penelope bückte sich und nahm ihre Handtasche. »Sie kommen. Es ist Zeit, daß ich gehe.«
    Sie gingen zusammen durch die Küche und traten auf den sonnigen kleinen Vorplatz hinaus. Sie nahmen einander in die Arme und küßten sich zärtlich auf die Wange. Doris hatte Tränen in den Augen. »Liebe Doris, auf Wiedersehen. Und vielen Dank für alles.« Doris wischte die dummen Tränen schnell fort. »Komm bald wieder«, sagte sie. »Warte nicht noch mal vierzig Jahre, sonst beschauen wir alle die Kartoffen von unten.«
    »Nächstes Jahr. Nächstes Jahr komme ich allein und wohne bei dir und Ernie.«
    »Ich freu mich jetzt schon darauf.« Der Wagen kam und hielt vor dem Haus. Ernie stieg aus, hielt die Beifahrertür wie ein Lakai auf und wartete, daß Penelope einstieg.
    »Auf Wiedersehen, Doris.« Sie wandte sich zum Gehen, aber Doris war noch nicht fertig. »Penelope.«
    Sie drehte sich um. »Ja?«
    »Wenn er Richard ist, wer soll dann Antonia sein?« Doris war nicht dumm. Penelope lächelte. »Vielleicht ich?«
    »Als ich zum erstenmal hierher kam, war ich sieben. Es war eine große Sache, weil Papa ein Auto gekauft hatte. Wir hatten noch nie eines gehabt, und dies war unsere erste Reise damit. Es war nur die erste von vielen anderen, aber ich werde sie nie vergessen, weil ich einfach nicht fassen konnte, daß Papa wirklich imstande war, den Motor in Gang zu bringen und dann zu fahren.« Die drei saßen auf den Klippen von Penjizal, hoch über dem blauen Atlantik, in einer kleinen grasigen Senke, die durch einen flechtenbewachsenen Granitfelsen vor dem Wind geschützt wurde. Die Graspolster ringsum waren mit wilden Primeln und den blaßblauen, flaumigen Blüten von Feldskabiosen bedeckt. Der Himmel war wolkenlos, die Luft erfüllt vom dumpfen Klatschen der Brandung und den Schreien pfeilschnell dahinziehender Seevögel. Ein Aprilmittag, warm wie ein Tag im Sommer - sie hatten die karierte Decke ausgebreitet und sich darauf gesetzt, und sie mußten sogar ein schattiges Plätzchen für den Picknickkorb suchen. »Was für ein Auto war es?« Danus lag nun neben der Decke im Gras und stützte sich auf einen Ellbogen auf. Er hatte seinen Pullover ausgezogen und die Hemdärmel hochgekrempelt. Seine muskulösen Unterarme waren sonnengebräunt, sein ihr zugewandtes Gesicht strahlte Zuneigung und Interesse aus. »Ein

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