Die Muschelsucher
trug eine alte Strickjacke und hatte Pantoffeln angezogen. Seine Hand fühlte sich genauso rauh und schwielig an wie damals, sie freute sich, ihn wiederzusehen, und hätte ihn gern umarmt, tat es aber nicht, weil sie wußte, daß er dann noch verlegener werden würde. »Wie geht es dir? Wie schön, dich wiederzusehen.«
»Ich freu mich auch.« Sie gaben sich feierlich die Hand. Sein Blick wanderte wieder zu seiner Frau, die sich nun aufsetzte, sich die Nase putzte und mehr oder weniger die Fassung zurückgewonnen hatte. »Ich hab den Krach schon draußen gehört und dachte, jemand will die Katze umbringen. Ihr habt sicher schon Tee getrunken, ja?«
»Nein, noch nicht. Wir hatten noch keine Zeit dazu. Wir hatten uns soviel zu erzählen.«
»Der Kessel ist fast leer gekocht. Ich hab ihn wieder vollgemacht, als ich hereingekommen bin.«
»O Gott, das tut mir leid. Ich hab ihn total vergessen.« Doris stand auf. »Ich gehe jetzt und mache Tee. Ernie, Penelope hat dir eine Flasche Whisky mitgebracht.«
»Oh, sehr schön. Vielen Dank.« Er schob den Ärmel der Strickjacke hoch und sah auf seine große billige Armbanduhr. »Halb sechs.« Er blickte mit einem seltenen Funkeln in den Augen auf. »Warum lassen wir nicht den Tee aus und gehen gleich zum Whisky über?«
»Ernie Penberth! Du alte Schnapsdrossel! Kommt nicht in Frage.«
»Ich finde, es ist ein sehr guter Vorschlag«, sagte Penelope mit fester Stimme. »Wir haben uns schließlich vierzig Jahre nicht gesehen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist, was dann?« So wurde aus der Teegesellschaft eine fröhliche kleine Party. Der Whisky löste Ernie die Zunge, und wenn Danus und Antonia nicht gekommen wären, hätten die drei bis in den Abend hinein zechen können. Penelope hatte jedes Zeitgefühl verloren, und das Läuten an der Tür überraschte sie genauso wie Doris und Ernie.
»Wer kann das sein?« fragte Doris, ungehalten über die Störung. Penelope sah zur Uhr. »Um Gottes willen, es ist schon sechs. Ich hatte keine Ahnung, daß es schon so spät ist. Das sind bestimmt Danus und Antonia, sie wollen mich abholen.«
»Die Zeit vergeht im Nu, wenn man in angenehmer Gesellschaft ist«, sagte Doris und stemmte sich aus ihrem Sessel, um zu öffnen. Sie hörten, wie sie sagte: »Kommen Sie herein, sie wartet schon auf Sie. Ein bißchen beschwipst wie wir alle, aber Sie werden sie schon heil nach Haus bringen.« Penelope trank hastig ihr Glas aus und stellte es wieder hin, damit sie nicht dachten, sie seien zu früh gekommen. Dann kamen sie alle in das kleine Zimmer und wurden miteinander bekannt gemacht. Ernie ging in die Küche und kam mit zwei weiteren Gläsern zurück.
Danus kratzte sich am Schädel und blickte sich belustigt um. »Ich dachte, hier wäre ein Fünfuhrtee.«
»Ach, Tee.« Doris’ Stimme war voll Verachtung für ein so langweiliges Getränk. »Wir haben den Tee ganz vergessen. Wir haben so viel geredet und gelacht, daß wir nicht mehr daran gedacht haben, Tee zu trinken.«
Antonia sagte: »Das ist ein sehr hübsches Zimmer. Und es ist genau die Art von Haus, die ich am liebsten mag. Und all die Blumen in dem kleinen Hof!«
»Ich nenne ihn meinen Garten. Ein richtiger Garten wäre natürlich viel schöner, aber man kann nicht alles haben, wie ich immer sage.«
Antonias Blick fiel auf das Porträt von Sophie. »Wer ist das Mädchen auf dem Bild?«
»Das? Oh, das ist Penelopes Mutter. Sehen Sie nicht die Ähnlichkeit?«
»Sie ist wunderschön!«
» O ja, das war sie. So was wie sie gab es nur einmal. Sie war Französin. nicht wahr, Penelope? Sie hatte einen tollen, verführerischen Akzent, genau wie Maurice Chevalier. Und Sie hätten sie hören sollen, wenn sie wütend war! Dann hat sie geschimpft wie eine Marktfrau, wirklich.«
»Sie sieht so jung aus.«
»Sie war auch sehr jung. Viel jünger als Penelopes Dad. Sie waren wie Schwestern, nicht wahr, Penelope?«
Ernie räusperte sich geräuschvoll, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Sie möchten sicher einen Drink, ja?« sagte er zu Danus.
Danus lächelte breit und schüttelte den Kopf. »Sehr freundlich von Ihnen, und halten Sie mich bitte nicht für unhöflich, aber ich trinke nicht.«
Ernie war so verwirrt wie selten. »Sind Sie vielleicht krank?«
»Nein, im Gegenteil. Aber Alkohol bekommt mir einfach nicht.« Ernie war offensichtlich zutiefst erschüttert. Er wandte sich ohne viel Hoffnung an Antonia. »Ich nehme an, Sie möchten auch nichts?«
Sie lächelte. »Nein,
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