Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
unternehmen.«
    Noel war ausnahmsweise auf ihrer Seite. »Was mich angeht, so werde ich nicht einfach dasitzen und das alles hinnehmen.«
    » Sie war offensichtlich nicht bei Sinnen.«
    »Es steht zuviel auf dem Spiel...«
    »... ausgenutzt worden...«
    Olivia konnte es nicht länger ertragen. »Aufhören. Haltet endlich den Mund.« Sie sagte es ganz ruhig, aber mit jenem kontrollierten Zorn, den die Redakteure von Venus im Lauf der Jahre zu fürchten und zu respektieren gelernt hatten. Noel und Nancy hatten sie jedoch noch nie in diesem Ton reden hören. Sie sahen sie überrascht an, waren aber immerhin so erschrocken, daß sie nichts mehr sagten. Olivia fuhr fort.
    »Ich möchte jetzt kein Wort mehr hören. Es ist vorbei. Mama ist tot. Wir haben sie heute begraben. Wenn man euch beide hört, möchte man meinen, zwei Hunde zankten sich um einen Knochen. Man möchte meinen, ihr hättet die Beerdigung schon vergessen. Ihr könnt anscheinend an nichts anderes denken und von nichts anderem reden als von dem Geld, das für euch abfällt. Mama hatte ihre fünf Sinne immer beisammen. mehr noch, sie war bis zu ihrem Tod die intelligenteste Frau, die ich je gekannt habe. Sicher, sie war manchmal übertrieben großzügig, aber sie hatte immer ihre Gründe. Sie war praktisch veranlagt. Sie plante voraus. Was glaubt ihr eigentlich, wie sie sonst zurechtgekommen wäre, als sie uns drei durchbringen mußte und kaum einen Penny in der Tasche hatte, mit einem Mann, der alles verspielte, was er in die Hände kriegen konnte? Was mich betrifft, so bin ich mehr als zufrieden, und ich finde, ihr solltet es auch sein. Sie hat uns allen eine wunderbare Kindheit geschenkt und uns einen guten Start ins Leben ermöglicht, und jetzt, wo sie tot ist, hat sie uns noch einmal großzügig beschenkt. Und die Ohrringe« - sie sah Nancy kalt an - »hat sie Antonia offensichtlich deshalb geschenkt, weil sie nicht wollte, daß du oder Melanie sie bekommen. Ich bin sicher, sie hatte auch dafür ihre guten Gründe.« Nancy senkte den Blick. Sie entfernte einen winzigen Wollfussel von ihrem Jackenärmel. »Und wenn sie die Skizzen Danus vermacht hat und nicht Noel, dann hatte sie sicher auch dafür ihre Gründe.« Noel machte den Mund auf, um etwas zu sagen, überlegte es sich aber anders und schloß ihn wieder. »Sie hat selbst bestimmt, was mit den Dingen geschehen soll, die ihr gehört haben. Sie hat getan, was sie wollte. Das ist das einzige, worauf es ankommt, und niemand sollte sich berufen fühlen, daran zu rütteln.«
    Sie hatte all das gesagt, ohne ein einziges Mal die Stimme zu heben. In dem nun eintretenden unbehaglichen Schweigen wartete sie darauf, daß Noel oder Nancy etwas gegen ihre Standpauke vorbrachten. Noel rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Olivia blickte ihn scharf an und machte sich innerlich schon auf eine Fortsetzung des Streits gefaßt, aber er hatte offenbar nichts zu sagen. In einer Geste, mit der er seine Niederlage deutlicher zugab als durch Worte, hob er die Hand, um sich die Augen zu reiben, und strich dann sein dunkles Haar zurück. Er richtete sich auf und rückte den Knoten seiner schwarzen Seidenkrawatte zurecht. Dann fand er seine Selbstbeherrschung wieder. Er brachte sogar ein schiefes Lächeln zustande. »Ich denke, nach dieser kleinen Szene haben wir alle den besagten Drink nötig«, sagte er in die Runde und stand auf. »Für Sie auch einen Whisky, Mr. Enderby?«
    Damit beendete er diplomatisch die Sitzung und brach zugleich das Eis. Mr. Enderby akzeptierte sichtlich erleichtert den Drink und fing an, seine Papiere zu einem Stoß aufzuschichten. Dann verstaute er sie wieder in seiner Aktenmappe. Nancy murmelte etwas von Nasepudern, bemühte sich um eine würdevolle Haltung, biß die Zähne zusammen, nahm ihre Handtasche und rauschte aus dem Zimmer. Noel ging hinterher, um Eis zu holen. Plötzlich waren Olivia und der Anwalt allein. »Entschuldigen Sie«, sagte sie.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es war eine großartige Rede.«
    »Sie glauben doch nicht, daß Mama nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war, nicht wahr?«
    »Ganz im Gegenteil.«
    »Sie haben doch vorhin mit Danus gesprochen. Hatten Sie den Eindruck, daß er. daß er unseriös ist?«
    »Ganz und gar nicht. Ich fand vielmehr, daß er ausgesprochen aufrichtig und vertrauenerweckend wirkte.«
    »Aber ich wüßte trotzdem gern, was sie veranlaßt hat, ihm ein solches Legat auszusetzen.«
    »Ich nehme an, wir werden es nie erfahren,

Weitere Kostenlose Bücher