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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Zaun hatte Feuer gefangen, und man hatte die Feuerwehr alarmieren müssen, die dann unter lautem Gebimmel nahte und den Brand löschte. Außerdem hatte sie ihnen Can-Can beigebracht, und viele freche Varieté-Lieder voller Anzüglichkeiten, die Olivia herrlich fand, während Nancy immer die Lippen geschürzt und so getan hatte, als verstünde sie den Doppelsinn nicht.
    Olivia erinnerte sich, daß sie mit ihren kleinen Füßen, ihren spindeldürren Gliedmaßen und ihrem rotgefärbten Haar wie eine Gespenstheuschrecke ausgesehen und eine Zigarette nach der anderen geraucht hatte. Trotz ihres vulgären Aussehens und ihres unbürgerlichen Lebenswandels (oder vielleicht gerade deshalb) waren ihre Freunde kaum zu zählen, und es gab kaum noch eine Stadt in England, wo Tante Ethel nicht eine alte Schulfreundin oder einen ehemaligen Verehrer hatte. Sie verbrachte einen guten Teil ihrer Zeit damit, all diese Freunde zu besuchen - die sie immerfort einluden, um in fröhlichen Erinnerungen schwelgen zu können -, doch zwischen den einzelnen Abstechern in die Provinz kehrte sie immer wieder nach London zurück, zu den Kunstausstellungen und Konzerten, ohne die sie nicht leben konnte, zu ihrem Schreibsekretär, wo sie bis spät in die Nacht lange Briefe schrieb, zu ihrem momentanen Untermieter, ihren Klavierschülern und ihrem Telefon. Sie rief fast jeden Tag ihren Börsenmakler an, der ein sehr geduldiger Mann gewesen sein mußte, und wenn ihre wenigen Aktien um einen Punkt gestiegen waren, gönnte sie sich in der blauen Stunde zwei Glas Gin mit Angostura statt nur eines. Sie nannte sie immer ihre kleinen Freudenspender. Als Tante Ethel über siebzig war und London sogar ihr zu hektisch - und zu teuer - wurde, zog sie nach Bath, um in der Nähe ihrer liebsten Freunde, Milly und Bobby Rodway, zu sein. Doch kurz darauf starb Bobby, und Milly folgte ihm bald, und Tante Ethel war ganz allein. Sie lebte noch eine Weile frohgemut wie immer und ließ sich nicht unterkriegen, aber das Alter zehrte an ihr, und zuletzt fiel sie über die Milchflasche auf ihrer eigenen Eingangstreppe und brach sich die Hüfte. Danach ging es rasch bergab, und sie wurde so schwach und hilflos, daß man sie in ein Alten- und Pflegeheim einwies. Dort saß sie den ganzen Tag in einen Schal gehüllt, zitternd und unter Absencen leidend in einem Armsessel und bekam regelmäßig Besuch von Penelope, die mit ihrem alten Volvo von London und zuletzt von Gloucestershire nach Bath hinunterfuhr. Olivia hatte ihre Mutter ein- oder zweimal begleitet, aber die Besuche hatten sie so deprimiert und traurig gemacht, daß sie später immer einen Vorwand suchte, um nicht mitzufahren. »Das liebe alte Ding«, sagte Penelope zärtlich. »Weißt du, daß sie fast fünfundneunzig war? Viel zu alt. Ah, da ist es.« Sie hatte endlich gefunden, was sie suchte, und holte ein altes und abgegriffenes ledernes Schmucketui hervor. Sie drückte auf den Schnappverschluß, und der Deckel sprang auf, und auf dem verblichenen Samtpolster sah Olivia ein Paar Ohrringe. »Oh«, rief sie unwillkürlich aus, denn der Anblick der kleinen Kunstwerke war überwältigend. Es waren wunderschöne kleine Kreuze aus teilweise emailliertem und mit Brillantsplittern besetztem Gold, mit einem Anhänger, einem von Perlen gesäumten Rubin. Ein Kranz noch kleinerer Perlen verband die Arme des Kreuzes mit der Öse. Sie waren Zeugnisse einer vergangenen Epoche und strahlten einen wundersamen Zauber aus.
    »Sie haben Tante Ethel gehört?« war alles, was ihr zu sagen einfiel.
    »Wunderschön, nicht wahr?«
    »Aber woher hatte sie bloß diesen kostbaren Schmuck?«
    »Ich habe keine Ahnung. Er hat die letzten fünfzig Jahre in einem Banktresor gelegen.«
    »Er scheint antik zu sein.«
    »Nein. Aus der viktorianischen Zeit, glaube ich. Wahrscheinlich italienisch.«
    »Vielleicht haben sie ihrer Mutter gehört?«
    »Ja, vielleicht. Oder sie hat sie beim Kartenspielen gewonnen. Oder von einem reichen Liebhaber bekommen, der sie sehr mochte. Bei Tante Ethel war alles möglich.«
    »Hast du sie von einem Sachverständigen schätzen lassen?«
    »Ich hatte noch keine Zeit dazu. Außerdem. Sie sind zwar sehr hübsch, aber ich glaube nicht, daß sie viel wert sind. Wie dem auch sei, sie passen jedenfalls ausgezeichnet zu meinem Haremsgewand. Findest du nicht auch, daß beides wie füreinander gemacht ist?«
    »Ja, wirklich.« Olivia gab ihrer Mutter die Schatulle zurück. »Aber versprich mir, daß du sie schätzen läßt

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