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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Tür zu und hatte, während sie dort in der Küche stand, ein unbehagliches Gefühl. Was hatte er oben auf dem Dachboden gesucht? Er wußte sehr wohl, daß der Squash-Schläger nicht dort sein konnte.
    Sie ging wieder ins Wohnzimmer und legte ein Scheit nach. Die Sunday Times lag noch neben dem Sessel, in dem sie gesessen hatte, auf dem Teppich. Sie bückte sich, hob sie auf und las die Boothby’s-Anzeige noch einmal. Dann trat sie zum Sekretär, nahm eine Schere, schnitt sie sorgfältig aus und legte sie in eine der winzigen Schubladen über der Schreibplatte.
    Mitten in der Nacht fuhr sie erschreckt hoch. Draußen stürmte es; es war stockdunkel, und es hatte wieder angefangen zu regnen. Die Fenster klapperten, und Tropfen klatschten an die Scheiben. »Ich war mal in den Ferien in Cornwall, aber es hat die ganze Zeit geregnet«, hatte Amabel gesagt. Porthkerris. Sie dachte zurück an den Regen, den die Böen vom Atlantik hergetragen hatten. Sie dachte an ihr Zimmer in Cam Cottage, während sie im Dunkeln lag, an das Geräusch der Wellen, die sich weit unten am Strand gebrochen, an die Vorhänge, die sich am offenen Fenster gebauscht hatten, und an den Lichtkegel vom Leuchtturm, der in regelmäßigen Abständen über die weißgetünchte Wand gestrichen war. Sie dachte an den Garten mit dem herrlichen Duft von Heilandsblümchen, an den Weg, der ins Hochmoor hinaufführte, und an die Aussicht von dort oben, auf die weite Bucht, das strahlende Blau des Meeres. Das Meer war einer der Gründe, weshalb sie sich so danach sehnte, noch einmal nach Porthkerris zu fahren. Gloucestershire war sehr schön, aber hier gab es kein Meer, und sie hatte ein unstillbares Verlangen nach dem Meer. Die Vergangenheit ist ein anderes Land, doch die Reise war nicht unmöglich. Es gab nichts, was sie daran hindern konnte. Allein oder mit jemand anderem, es spielte keine Rolle. Ehe es zu spät war, würde sie nach Westen fahren in den Teil Englands, in dem sie einst gelebt hatte. Wo sie geliebt hatte und jung gewesen war.

Sie war neunzehn. Zwischen den mit Spannung erwarteten Nachrichten spielte das Radio Schlager wie »Deep Purple« und »These Foolish Things« und Musik aus dem neuesten Film mit Fred Astaire und Ginger Rogers. Der Ort war den ganzen Sommer voll mit Feriengästen gewesen. Vor den Läden waren Eimer und Schaufeln aufgebaut, und große Wasserbälle, die in der heißen Sonne nach Gummi rochen, und modebewußte Städterinnen, die im Castle Hotel abgestiegen waren, schockierten die Einheimischen, indem sie in Strandanzügen durch die Straßen spazierten und sich in gewagten zweiteiligen Badeanzügen sonnten. Die meisten Feriengäste waren nun fort, doch es gab immer noch einige, die an schönen Tagen zum Strand gingen, wo die Zelte und Umkleidekabinen noch nicht abgebaut waren. Penelope, die am Rand des Wassers entlangging, betrachtete die Kinder und die Nannys in ihrer schönen, dunkelblauen und weißen Tracht, die auf Liegestühlen lagen und strickten, ohne ihre kleinen Schutzbefohlenen einen Moment aus den Augen zu lassen, ob sie nun jauchzend in die flachen Ausläufer der Wellen rannten oder nur stillvergnügt Sandburgen bauten. Es war ein warmer und schöner Sonntagmorgen, zu schön, um im Haus zu bleiben. Sie hatte Sophie gefragt, ob sie nicht mitkommen wollte, aber Sophie wollte lieber in der Küche bleiben und das Essen vorbereiten, und Penelope hatte sie allein gelassen, während sie gerade Gemüse für ein Hühnercassoulet putzte und klein schnitt. Und Papa hatte nach dem Frühstück seinen alten breitkrempigen Hut aufgesetzt und war zum Atelier gegangen. Penelope wollte ihn dort abholen. Dann würden sie zusammen den Hang zu Cam Cottage hinaufgehen, wo das traditionelle Mittagessen auf sie wartete. »Laß ihn nicht in den Pub gehen, Liebling. Nicht heute. Bring ihn auf dem schnellsten Weg nach Haus.«
    Sie hatte es versprochen. Wenn sie sich an den Tisch setzten und Sophie ihr Hühnercassoulet auftrug, würde alles vorbei sein. Bis dahin würden sie es wissen.
    Sie hatte das Ende des Strandes erreicht, wo es zu den Felsen und dem Sprungbrett ging. Sie stieg die Betonstufen hoch und kam auf eine schmale Straße mit Kopfsteinpflaster, die sich zwischen Häusern, von denen keines wie das andere aussah, den Hügel hinunterwand. Überall waren Katzen, die im Rinnstein nach Fischabfällen suchten, und Seemöwen flogen über sie hinweg oder landeten auf Dächern, um die Welt mit ihren kalten gelben Augen zu mustern und ohne

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