Die Muschelsucher
wenn die Luftangriffe anfingen, was zweifellos irgendwann der Fall sein würde.
Sophie sagte ihm, daß sie sich darum kümmern und das Bild verpacken und nach Porthkerris transportieren lassen würde, wo es vergleichsweise sicher sein würde. Sie rief Elizabeth Clifford an, um ihr zu sagen, daß sie kämen. Drei Tage später führen sie alle drei zum Bahnhof hinunter, und Penelope und Sophie stiegen in den Zug. Lawrence nicht. Er hatte beschlossen, in Porthkerris zu bleiben, ein Auge auf den kleinen Haushalt zu haben und sich Doris’ Obhut anzuvertrauen, die sich sofort bereit erklärt hatte, diese Pflicht zu übernehmen. Er und seine junge Frau würden zum erstenmal seit der Hochzeit getrennt sein, und als der Zug den kleinen Bahnhof verließ, war Sophie in Tränen aufgelöst, als fürchtete sie, ihn nie wiederzusehen.
Die Fahrt schien eine Ewigkeit zu dauern. Das Abteil war eiskalt, es gab keinen Speisewagen, alle Plätze waren besetzt, und die Gänge waren voll von Seesäcken, rauchenden und Karten spielenden Matrosen. Penelope saß in ihre Ecke gezwängt, und als der Zug wieder anfuhr, schlief der junge Mann neben ihr, der wegen seiner ungewohnten brandneuen Uniform stocksteif dagesessen hatte, ein und ließ prompt den Kopf an ihre Schulter sinken. Es wurde früh dunkel, und dann konnte man in der schummrigen Beleuchtung nicht einmal mehr lesen. Zu allem Überfluß hatte der Zug in Reading sehr lange Aufenthalt, und sie fuhren mit drei Stunden Verspätung in den Bahnhof Paddington ein.
Das verdunkelte London war eine unbekannte, geheimnisvolle Stadt. Sie fanden mit großem Glück ein Taxi, das sie mit ein paar anderen Leuten teilten, die in dieselbe Richtung mußten. Der Wagen rollte durch dunkle, fast menschenleere Straßen, es regnete in Strömen, und es war immer noch eiskalt. Penelope sank das Herz. Solch eine Heimkehr hatte sie noch nie erlebt. Aber Elizabeth wartete auf sie und hörte das Taxi kommen. Als sie gezahlt hatten und die pechschwarze Treppe zum Souterraineingang hinuntertappten, wurde die Tür geöffnet, und Elizabeth zog sie rasch ins Haus, ehe ein verbotener Lichtschein nach draußen fallen konnte.
»Oh, ihr Ärmsten, ich dachte schon, ihr würdet nicht mehr kommen. Die Fahrt muß eine Strapaze gewesen sein.« Es war eine überschwengliche Begrüßung, mit vielen Umarmungen und Küssen und Schilderungen der Eisenbahnfahrt, aber dann lachten sie vor Erleichterung, dem Zug und der Kälte und Dunkelheit endlich entronnen und wieder zu Hause zu sein. Der große vertraute Raum nahm die ganze Länge des Hauses ein. Das Ende zur Straße hin war Küche und Eßzimmer, und das Gartenende diente als Wohnzimmer. Es war hell beleuchtet, denn Elizabeth hatte anstelle von Verdunkelungsvorhängen einfach Wolldecken vor den Fenstern befestigt, und sie hatte den Herd angemacht. Ein großer Topf Hühnersuppe verbreitete einen köstlichen Duft, und der Kessel summte. Sophie und Penelope zogen ihren Mantel aus, und Elizabeth machte Tee und stellte die Kanne neben einem Stapel Zimttoast auf den Tisch. Sie setzten sich und taten sich an dem Toast gütlich (Penelope starb vor Hunger) und redeten alle auf einmal, um all die Neuigkeiten loszuwerden, die sich in den letzten Monaten angesammelt hatten. Penelope und Sophie lebten sichtlich auf, und die schreckliche Eisenbahnfahrt war bald vergessen.
»Und wie geht es Lawrence?«
»Großartig, aber er macht sich Sorgen um Die Muschelsucher, falls das Haus von einer Bombe getroffen wird. Das ist einer der Gründe, warum wir hier sind. Ich muß es in eine Kiste verpacken lassen, damit wir es mitnehmen können, und wenn das nicht geht, muß ich jemanden finden, der es nach Cornwall bringt.« Sophie lachte. »Über die anderen Sachen hat er kein Wort verloren, sie scheinen ihm ziemlich gleichgültig zu sein.«
»Und wer versorgt ihn?« Sie erzählten ihr von Doris und ihren Sprößlingen. »Einquartierung! Ihr Ärmsten. Dann gehört Garn Cottage euch nur noch halb.« Sie hörte nicht auf zu reden und erzählte alles, was in den letzten Wochen geschehen war. » Übrigens, ich muß euch ein Geständnis machen. Der junge Mann in der Mansarde ist einberufen worden, und ich habe seine Zimmer einem jungen Paar gegeben. Es sind Flüchtlinge aus München. Sie sind schon seit einem Jahr in England, aber sie mußten ihre Wohnung in St. John’s Wood räumen und konnten nichts anderes finden. Sie waren so verzweifelt, daß ich ihnen erlaubt habe, hierher zu kommen. Sophie, du
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