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Die Muse des Mörders (German Edition)

Die Muse des Mörders (German Edition)

Titel: Die Muse des Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Wedler , Nadine d'Arachart
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Widerhall. Sie umfasste die Henkel ihrer Tasche, die sie über der Schulter trug, fest mit beiden Händen und ignorierte das paranoide Gefühl, das sie zu überkommen drohte. Ihre Nerven lagen einfach blank. Unwillkürlich musste sie an ihren Albtraum zurückdenken, an die blutleeren Hände, die sich ihr flehend entgegenstreckten. Wie immer hatte der Traum recht gehabt und obwohl sie damit gerechnet hatte, fühlte sie sich nun, da Paul tatsächlich von ihr gegangen war, leer und stumpf, beinahe schuldig. Ein Teil von ihr wollte sich einfach nur ins Bett legen, schlafen und vergessen und ein anderer Teil glaubte, dass sie nie wieder würde schlafen können. Ihre Augen brannten, doch obwohl sie im Moment seines Todes hatte weinen müssen, war sie jetzt selbst dafür zu matt. 
    Er war erst fünfundsechzig gewesen, kein hohes Alter in einer Zeit, wo so mancher hundert oder noch älter wurde. Er hätte es verdient gehabt, länger zu leben. Er hatte noch Pläne gehabt, hatte noch längst nicht alles gesehen. Madeleine hatte nie einen anderen Menschen gekannt, der so leidenschaftlich, so hungrig auf alle Überraschungen war, die das Leben bot. Sie fühlte sich für ihn betrogen und obwohl es ungerecht war, fielen ihr auf Anhieb genug Menschen ein, denen sie sein Schicksal an seiner statt gewünscht hätte. Verbitterte, verstockte Personen, die vor lauter Langeweile und Dekadenz nichts mehr zu schätzen wussten. 
    Sie beschleunigte ihre Schritte, die schmerzhaften Stiche in ihrer Seite gewissenhaft ignorierend. Sie durfte sich nicht in düsteren Gedanken verlieren. In ihrem Bekanntenkreis gab es genug verhärmte alte Witwen, die für nichts und niemanden mehr ein gutes Wort übrig hatten und sich nur mit einer ungesunden Mischung aus Kaffee und Beruhigungstabletten am Leben erhalten konnten. Madeleine atmete tief durch, um die Düsternis loszuwerden, die sich in ihr auszubreiten drohte, und blickte sich um. Eine Ratte stob aus einer Spalte zwischen zwei Häusern hervor und blieb erschrocken stehen, als sie Madeleine entdeckte. 
    Das Tier stellte sich auf die Hinterbeine und betrachtete sie neugierig aus seinen runden schwarzen Augen, wobei die kleine Nase ruhelos wackelte. Die Ratte machte keine Anstalten, vor ihr zu fliehen, und Madeleine ging einen Bogen um den Nager, ohne ihre Schritte zu verlangsamen. 
    Da hörte Madeleine Hundegebell. Sie sah auf und entdeckte einen hochgewachsenen Mann, der ihr auf ihrer Straßenseite entgegenkam. An der Leine, die er in der Hand hielt, zog ein Dobermann, dessen mit Stacheln besetztes Halsband silbern glänzte, wann immer das Licht der Straßenbeleuchtung darauffiel. Das Tier hechelte ungeduldig und ein deutlich sichtbarer Strang Geifer tropfte ihm aus dem Maul. Der Besitzer hatte den Kragen seiner Lederjacke aufgeschlagen und folgte dem Hund mit schweren Schritten. 
    Madeleine stockte ungewollt und lief dann langsamer. Dass ihr ein Fußgänger begegnete, erschien ihr fast unwirklich und die Entschlossenheit, die sowohl er als auch das Tier ausstrahlten, verunsicherte sie. 
    Madeleine schalt sich innerlich dafür, dass die Dose Pfefferspray, die Lucy ihr schon vor Wochen besorgt hatte, immer noch unangetastet in ihrer Schreibtischschublade lag. Als hätte Madeleine dort, in ihrem sicheren Zuhause, irgendeine Bedrohung zu fürchten.
    Sie ließ die Tasche von ihrer Schulter gleiten und suchte mit der freien Hand darin. Den Mann und seinen Hund ließ sie nicht aus den Augen. Dieser war beinahe auf ihrer Höhe und der Besitzer, der vielleicht dreißig sein mochte, fixierte sie argwöhnisch. Seine Augen waren dunkel und seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Er wirkte auf eine unbestimmte Art wütend und auch der Dobermann strahlte eine deutliche Anspannung aus. Madeleine war stehen geblieben und zog nun den eckigen Sprühflakon ihres Parfüms aus der Tasche. Sie versteckte ihn in ihrer Handfläche und legte den Finger auf den Sprühknopf. Im Notfall würde sie auf die brennende Wirkung des Alkohols setzen müssen. Sie schluckte und spürte, wie ihr Herz raste. Wie leichtsinnig war es gewesen, in einer Nacht wie dieser allein nach Hause zu gehen.
    Der Dobermann wurde nun seinerseits langsamer und hob schnüffelnd die Nase in ihre Richtung. Er war noch gut zwei Meter von ihr entfernt und seine Rute war aufmerksam aufgestellt. Auch der Mann blickte sie nun direkt an. Er musterte ihre verkrampfte Haltung, scannte sie einmal von oben bis unten, dann verzogen sich seine

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