Die Muse des Mörders (German Edition)
selbstverliebten Künstlers. Schon das Wort machte ihn rasend. Heutzutage nannte sich jeder Spinner, der mit seinem Leben nichts Gescheites anzufangen wusste, Künstler oder Freigeist. Er konnte nur hoffen, dass Simon oder Lea nicht irgendwann diesem Selbstverwirklichungswahn verfielen.
Während Dominik sich umsah, schilderte Steigermann seine Affäre mit Rabe und verzichtete auch nicht darauf, an den passenden Stellen ein paar Tränen herauszudrücken. Er machte kein Geheimnis daraus, dass die Treffen mit dem Opfer keine tiefere Bedeutung gehabt hatten. Spaß ja, Verpflichtungen nein danke.
»Tabea wusste, was sie wollte. In diesem Fall war es die weibliche Hauptrolle. Sie wusste auch, welche Mittel sie einsetzen musste, um ihren Willen zu bekommen.« Steigermann wischte sich mit dem Zipfel seines Flanellhemdes eine Träne aus dem Augenwinkel und setzte eine gekonnte Anstandsmiene auf. »Sind wir jetzt fertig?«
Dominik versuchte, seinen Ärger niederzukämpfen, aber es gelang ihm nicht. Er hatte sich gewünscht, in Steigermann seinen Verdächtigen zu finden, doch er konnte dem Mann nichts anhängen. Geschmacklose Bilder und hässliche Lammledersofas galten leider nicht als Straftat. Außerdem hatte sich Steigermanns Alibi mittlerweile als wasserdicht erwiesen.
»Herr Inspektor? Sind wir fertig? Ich habe noch eine Premierenprobe und würde ungern zu spät kommen.« Steigermann erhob sich als Aufforderung und Dominik tat es ihm nach einem Moment des Zögerns gleich. Er fühlte sich hilflos im Angesicht der Ignoranz des Regisseurs, doch er konnte kein Mitgefühl für Tabea Rabe in ihn hineinprügeln. Das Mädchen hatte es anscheinend mit Beziehungen nicht so genau genommen. So war es kaum verwunderlich, dass sie niemandem richtig am Herzen lag.
Dominik verabschiedete sich knapp und erklärte Steigermann, dass er sich für weitere Fragen bereithalten sollte. Müde verließ er das Apartment. Es war später Nachmittag und er wollte zu Hause vorbeischauen.
10.
Madeleine stand auf und streckte sich, während sie langsam zum Fenster ging. Draußen schien die kraftvolle rote Abendsonne, doch hier im Krankenzimmer war es kühl. Madeleine zog die Ärmel ihres Kaschmirpullovers bis über die Hände und schlang die Arme um den Oberkörper. Sie verharrte eine Zeit lang so und hing ihren Gedanken nach, bis es klopfte und eine Schwester eintrat.
Madeleine wandte sich halb zu ihr um und die Schwester lächelte ihr gutmütig zu und stellte einen Teller mit Suppe auf dem Nachttisch ab.
»Soll ich Ihnen vielleicht eine Tasse Kaffee holen, Frau Scuderi?«
»Nein, danke. Ich habe alles, was ich brauche.«
Die Schwester ging und Madeleine wandte sich endgültig vom Fenster ab. Eine bleierne Müdigkeit kämpfte in ihrem Inneren gegen ihre Nervosität an. Sie nahm den Suppenteller vom Tisch und entsorgte die Brühe im Ausguss. Zuletzt war Paul vom Essen immer übel geworden, allein der Geruch hatte ihn angewidert. Sie nahm ein Papiertuch von der Ablage unter dem Spiegel und wischte gerade den öligen Fettfilm aus dem Becken, als Paul aufwachte und kaum hörbar ihren Namen flüsterte. Sofort war sie wieder an seiner Seite und ergriff seine Hand.
Er sah sie aus trüben Augen an. Ihr fiel auf, dass die Haut um seine Nase und sein Kinn sowie seine Lippen eine weiße Farbe angenommen hatten. Sein Atem hatte sich in ein feuchtes Rasseln verwandelt. Tränen traten in Madeleines Augen und sie empfand Wut auf alle, die den Tod mit einer Reise verglichen. Sie würde sich nicht in ein Flugzeug setzen und Paul folgen können, wenn er fort war, und dieser Unterschied war entscheidend.
»Wir hatten eine großartige Zeit, Madeleine.« Seine Worte waren klar und standen in deutlichem Gegensatz zu seinem abwesenden Blick.
Madeleine rang sich ein Lächeln ab.
»Geh besser sparsam mit dem Wort um. Es könnte sich abnutzen.«
Paul lachte und es klang wie ein Husten. Er verstand sie, wie er sie immer verstanden hatte. Mit wem sollte sie von nun an diese speziellen Sätze tauschen, die nur in einer langen Freundschaft eine Bedeutung entwickeln konnten?
»Wie fühlst du dich?«, fragte er. Das war so typisch für ihn und gleichzeitig so absurd.
»Du hättest auf mich warten sollen, Paul.« Ihre Worte waren aufrichtig. Sie hatte sich immer vor einem Leben ohne ihn gefürchtet und stets darauf gesetzt, dass sie eher gehen würde. Schließlich war sie acht Jahre älter als er.
»Ich habe mein ganzes Leben lang auf
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