Die Muse des Mörders (German Edition)
Drogen, mit respektlosen alten Junkies und Säufern, doch so ein Mistkerl wie Georg Scuderi war ihr zuvor niemals untergekommen. Dabei hatte er ihr nicht einmal wirklich etwas getan. Sie erinnerte sich bloß an ein einziges unschönes Erlebnis, das während seines letzten Besuches bei seiner Schwester stattgefunden hatte. Lucy war an einem Sonntagnachmittag vor vielen Jahren damit beschäftigt gewesen, Kuchenstücke auf einen Teller zu schichten. Madeleine hatte Gäste eingeladen gehabt, alte Freunde, die Georg lange nicht mehr gesehen hatten. Sie hatte gerade im Wohnzimmer die große Kaffeetafel angerichtet und nicht mitbekommen, dass Georg zu Lucy in die Küche gekommen war. Er hatte sich hinter sie gestellt und mit seinem gekünstelten englischen Akzent darüber sinniert, wie sehr er die Wiener Konditorenkunst und vor allem die Torten vermisste, wenn er in London war. Während er das sagte, hatte er seine schweißige Hand über Lucys Po gleiten lassen und ihr dabei schwer und feucht in den Nacken geatmet. Es hatte all ihre Selbstbeherrschung erfordert, ihm nicht die volle Kuchenplatte ins Gesicht zu schleudern. Sie hatte den Job damals noch nicht lange gehabt, ihn unter allen Umständen behalten wollen und Madeleine nicht einschätzen können. Heute wusste sie, dass sie es ihr hätte sagen sollen. Jetzt wollte sie dieses Versäumnis aber nicht nachholen. Madeleine litt schon genug. Lucy lehnte sich zurück und zuckte mit den Schultern.
»Er hat sich doch sowieso nicht mit Paul verstanden.«
Madeleine rieb sich mit den Fingerspitzen die Schläfen.
»Trotzdem. Ich kann ihn nicht einfach ignorieren. Außerdem hätte ich Paul ohne ihn nie kennen gelernt.«
Lucy schluckte eine patzige Bemerkung hinunter und kritzelte Georgs Namen auf die Liste. Sie mochte Madeleine sehr, aber sie war zu aufbrausend, um ihren Sinn für Gerechtigkeit zu teilen. Ihrer Meinung nach konnte der sexistische alte Sack auf seiner Insel bleiben. Es stand ihr aber leider nicht zu, solche Entscheidungen an sich zu reißen. Sie genoss es, zu einem Teil in Madeleines feine Kreise aufgenommen zu sein, doch im Grunde war sie eine Außenstehende. Deshalb würde sie wohl oder übel mit Georgs Gesellschaft leben müssen.
Die Schriftstellerin schüttelte den Kopf, nahm die Hände von den Schläfen und blätterte energisch eine Seite weiter.
»Ich rufe ihn an und erzähle ihm von Pauls Tod. Wie ich ihn kenne, geht er nach ein paar spöttischen Bemerkungen zur Tagesordnung über.« Damit war das Thema für sie erledigt.
15.
Dominik hasste es, aus seiner Arbeit gerissen zu werden, aber der Anruf von Oberstleutnant Nicolas Reinhardt hatte so dringlich geklungen, dass er sofort aufgebrochen war.
Mittlerweile saß er seit dreißig Minuten auf einem der zerbeulten Plastikstühle vor Reinhardts Büro und wartete. Seine Geduld war am Ende und er gab seinem Chef noch zehn Minuten, eine Zigarettenlänge, bevor er zurück an seinen Schreibtisch kehren würde. Er erhob sich und ging zum Fenster. Draußen schob sich der Feierabendverkehr durch die Straßen. Genervtes Hupen drang an sein Ohr, als er das Fenster öffnete und sich eine Davidoff Classic anzündete. Seine Lunge füllte sich mit beruhigendem Rauch und er schloss für einen Moment die Augen.
»Da sind Sie ja endlich, Greve.«
Dominik fuhr herum und ließ die Zigarette schnell nach draußen fallen. Reinhardt hatte ein Talent dafür, ihn immer in den ungünstigsten Augenblicken zu erwischen.
Der Oberstleutnant wedelte mit der Hand durch die Luft und trat zur Seite, auch wenn das nicht nötig war. Seine schmale Gestalt füllte gerade einmal die Hälfte des Türrahmens aus. Dominik war sicher, dass Reinhardt nicht wusste, wie er auf Außenstehende wirkte und seine Erscheinung maßlos überschätzte.
»Jetzt machen Sie schon, wir haben einiges zu besprechen.«
Dominik schloss das Fenster und folgte Reinhardt ins Büro. Der Raum wirkte beengt, woran im Wesentlichen die vielen Plakate, Notizzettel und Karten an den Wänden schuld waren. Die grauen Rollos waren geschlossen, nur eine verstaubte Schreibtischlampe erhellte den Raum.
Reinhardt setzte sich in seinen massiven Schreibtischstuhl. Während Dominik ihm gegenüber Platz nahm, trommelte er ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte herum, dann eröffnete er das Gespräch, indem er nach Luft schnappte und sich zurücklehnte.
»Greve. Ich bin stolz auf Sie. Mein Dank gebührt Ihnen und Ihrer Truppe. Sie haben die Sache
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