Die Muse des Mörders (German Edition)
Hand flach auf den Mund presste und mit der anderen alle erdenklichen Dekoartikel aus Rebeccas Schränken räumte. Er versuchte krampfhaft, sich irgendwo abzustützen, aber seine Füße weigerten sich, ihn geradeaus zu tragen. Sein gesamter Körper wollte lieber der Schwerkraft nachgeben und sich gleich hier auf dem Designerteppich niederlassen. Kurz vor der Badezimmertür fiel er auf die Knie und kroch das letzte Stück zur Kloschüssel hinüber.
Nachdem er sich hustend übergeben hatte, sank er in sich zusammen und lehnte den Kopf an die Toilettenbrille. Erst jetzt merkte er, dass er ebenfalls nackt war. Was hatte er sich hierbei nur wieder gedacht? Wohl gar nichts. Die letzten paar Minuten – oder waren es Stunden? – steckten irgendwo in seinem Kopf zwischen dichtem schwarzem Nebel fest. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, wie es schon wieder zum Sex zwischen ihm und Rebecca gekommen war. Noch heute Morgen war er der Überzeugung gewesen, dass alles besser werden würde. Er hatte sich vorgenommen, die Affäre mit ihr zu beenden und sich endlich wieder seiner Familie zu widmen. Was war passiert?
Dominik spürte, wie erneut heiße Galle in seiner Kehle aufstieg. Er hatte in seiner Ehe gleich zwei folgenschwere Fehler hintereinander begangen. Zuerst hatte er seine Frau in eine Fehlgeburt getrieben und dann, als es ihr schlecht ging, hatte er sie im Stich gelassen und betrogen. Dabei hatte es Zeiten gegeben, in denen er gar kein so übler Kerl gewesen war. Ein verantwortungsvoller Vater und Ehemann, der zwar Karriere machte, darüber aber nicht vergaß, dass es Wichtigeres in seinem Leben gab. Doch dann war die Giftaffäre über die Stadt hereingebrochen. Die Toten, die Spuren, die ins Leere führten, all das hatte seinen Ehrgeiz geweckt. Er hatte Reinhardt förmlich angefleht, ihm den Fall anzuvertrauen, hatte sich bald schon durch jeden weiteren Toten so provoziert gefühlt, als ginge die ganze Sache gegen ihn persönlich. Dann war Margaretha Brenier in sein Leben getreten. Obwohl die Exfrau eines Schönheitschirurgen aus Graz die Drahtzieherin hinter den Giftmorden gewesen war, hatte sie lange Zeit unbehelligt in Wien gelebt.
Erst durch den Tod Gabriel Sailers und leidenschaftliche Briefe, die sich in seinem Nachlass fanden und von Margaretha stammten, war ans Licht gekommen, womit sie wirklich ihr Geld verdiente. Zuerst hatte sie mit Sailers Gift ihre nahen Verwandten getötet, um ungestört ihren Vater beerben zu können. Da das Gift im Blut nicht festzustellen war, war die Polizei bei allen Opfern notgedrungen von einem natürlichen Tod ausgegangen. Die Nachfrage nach dem nicht nachzuweisenden Pulver war gestiegen und so hatte Margaretha begonnen, das Gift zu verkaufen. Bevor sie sie hatten schnappen können, war sie von der Bildfläche verschwunden.
Ihre Flucht hatte Dominik, der sich nah am Ziel geglaubt hatte, wütend gemacht. Er hatte sich noch tiefer in die Arbeit gekniet und über viele Umwege ihren Aufenthaltsort ausfindig gemacht. Ein Kloster. Das Mutterhaus der Franziskusschwestern im deutschen Essen, fast tausend Kilometer von Wien entfernt. Margaretha hatte sich alle Mühe gegeben, zwischen den Nonnen nicht aufzufallen, und trotzdem hatte Dominik sie bald entdeckt. Auch wenn sie sich mit der Ordenstracht verhüllte, stach sie durch ihre ungewöhnliche Schönheit aus der Masse der Schwestern hervor.
Margaretha war zusammen mit drei weiteren Nonnen in einem Kindergarten beschäftigt gewesen. Dominik hatte sich vor Ort ein Zimmer genommen und sie eine Zeit lang aus der Ferne im Auge behalten, dann war er ihr eines Tages »zufällig« begegnet. Margaretha hatte ihre Rolle zu spielen gewusst und sich höflich, aber ablehnend gegeben. Nach weiteren arrangierten Zufallsbegegnungen war sie jedoch zugänglicher geworden. Sie war mit ihm Kaffee trinken gegangen und hatte sich ihm als Schwester Salome vorgestellt. Die Friedliche. Ausgerechnet. Dominik hatte sich gefühlt, als wollte sie ihn mit diesem Namen verhöhnen.
Es hatte nicht lange gedauert, bis sie sich nähergekommen waren. Margaretha hatte spürbar Gefallen an ihm gefunden und auch Dominik war zu seinem eigenen Missfallen von der kühlen Schönheit bezaubert gewesen. Er hatte sich immer wieder ins Gedächtnis gerufen, warum er überhaupt hier war. Sicher nicht, um sich von ihrem Charme und ihrer betörenden Art einwickeln zu lassen.
Während er der Mörderin nähergekommen war, hatte er jeden Abend mit Hannah am Telefon
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