Die Muse des Mörders (German Edition)
nicht eingehalten hatte. Heute Nachmittag hatte er Hannah kurz angerufen, ihr von Oliver Brunners Festnahme erzählt und beteuert, bald nach Hause zu kommen. Das war jedoch gewesen, bevor Reinhardt ihn zu sich gerufen und unter Druck gesetzt hatte. Er hatte danach einige Zeit in der U-Haft-Zelle des Jungen verbracht. Seine Fingerknöchel schmerzten, doch er hoffte, dass er Brunner verständlich genug ins Gewissen geredet hatte. Mittlerweile war es bereits halb neun und seine Frau wartete sicher ungeduldig auf ihn. Dominik drückte seine Zigarette im Aschenbecher in der Mittelkonsole aus und stieg aus dem Wagen.
Als er das Haus betrat, hörte er Hannah oben mit den Kindern sprechen. Er schloss die Tür hinter sich und ging auf die Treppe zu. Unten am Absatz stand ein großer Reisekoffer mit einer dazugehörigen Reisetasche. Sie hatten die Sachen für einen gemeinsamen Urlaub in Paris gekauft, doch soweit er wusste stand momentan kein Urlaub an. Er runzelte die Stirn und stieg die Treppe hinauf.
»Hannah?«
»Wir sind hier.« Hannah trat in die Tür von Simons Kinderzimmer. Dominik blickte hinter sie und entdeckte seinen Sohn und seine Tochter. Lea hockte auf einem übervollen blauen Kinderkoffer mit Disney-Motiv, während Simon versuchte, den Reißverschluss zuzuziehen. Lea hob die Hand und lächelte ihm zu. Simon gab sich wie immer wortkarg.
»Hi.«
»Ihr bleibt einen Moment hier drin, hört ihr?« Hannah schloss die Tür hinter sich und kam zu Dominik in den Korridor.
»Was ist los? Warum packt ihr eure Koffer?« Er wollte nicht glauben, was er da sah.
»Wir ziehen zu meinen Eltern. Mein Vater holt uns jeden Augenblick ab und dann …«
»Moment einmal, Ihr tut was? Wieso?«
»Das fragst du noch?«
»Ja, genau das frage ich.« Dominik schüttelte den Kopf und ging ein paar Schritte auf und ab, um sich zu beruhigen. »Ich dachte, wir hätten alles geklärt. Du wolltest, dass wir neu anfangen …«
»Das war vor heute Nachmittag.«
Er starrte seine Frau fassungslos an.
»Du verlässt mich, weil ich mich verspätet habe? Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Es ist doch nicht das erste Mal, Dominik. Jeden Tag gehst du morgens früh aus dem Haus und kehrst erst spät abends zurück. Sogar am Wochenende. Glaubst du, ich merke nicht, wenn du dich nachts aus dem Haus schleichst?« Hannah setzte sich auf die Treppenstufen und stützte den Kopf auf die Hände. »Glaubst du, ich bemerke dieses Versteck im Wäschekorb nicht? Zwischen der Schmutzwäsche! Hältst du mich für so blöd?«
Dominik wusste nicht, was er sagen sollte. Er fragte sich, wie sie seine nächtlichen Ausflüge deutete, ob sie wusste, dass er sich mit Rebecca traf. Vermutlich tat sie das.
»Hannah, ich …«
»Lass es gut sein. Ich bin doch selbst schuld, dass ich so lange geschwiegen habe. Zuerst wollte ich es einfach nicht wahrhaben und dann habe ich es auf die schlimme Zeit geschoben. Ich dachte, das wird schon wieder, aber ich habe mich geirrt.«
»Das ist nicht wahr! Das mit dem Neuanfang war nicht bloß Gerede. Ich will das wirklich. Ich will dich!« Dominik hockte sich hinter seine Frau. »Ich will die Kinder! Hörst du? Ich will unser Leben, so wie es früher war.« Er legte Hannah die Arme um die Schultern, doch sie stand auf und schüttelte den Kopf. Dominik erhob sich ebenfalls.
»Es wird aber nie wieder wie früher. Ich habe mich verändert, du hast dich verändert. Diese Margaretha hat dich kaputtgemacht. Reinhardt und dein beschissener Job haben dich kaputtgemacht. Es war nicht die Fehlgeburt, die unser Leben zerstört hat. Es ist deine Schuld, allein deine Schuld. Weil du zugelassen hast, dass es so kommt, wie es gekommen ist.« Hannahs Stimme überschlug sich jetzt und Tränen standen in ihren Augen. »Glaubst du, mir fällt das leicht? Du weißt genau, wie sehr ich dich liebe. Wie sehr ich den Dominik liebe, den ich vor elf Jahren geheiratet habe. Ich frage mich jeden Tag, wo dieser Dominik steckt.« Sie trat einen Schritt auf ihn zu und tippte ihm an die Stirn. »Ist er da noch irgendwo drinnen?«
Dominik schaute zu Hannah hinunter und war nicht fähig, etwas zu sagen. Was auch? Insgeheim gab er ihr recht und eigentlich hatte er verdammtes Glück, dass sie nicht schon früher gegangen war.
Er schüttelte den Kopf, was nicht als Antwort gemeint war. Hannah deutete es jedoch so.
»Das dachte ich mir.« Sie wandte sich ab und ging auf Simons Zimmertür zu. »Mach an der Tür bitte kein Drama. Nicht vor den Kindern.«
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