Die Mutter
winziger Bach sein. Es ging ihnen gut, sie waren glücklich. Allerdings hatten die Karten auf eine drohende Gefahr hingewiesen. Ein großer, dunkler Mann näherte sich von rechts oder links. Regina Kolter wollte wissen, ob ich einen Schnüffler auf den Weg gebracht hatte. Sie bat dringend um Rückruf. Ich tat ihr den Gefallen.
«Lassen Sie mich bitte mit diesem Quatsch in Ruhe. Meine Tochter ist tot.»
Sie widersprach heftig. «Nein, Frau Zardiss, das ist sie nicht. Sie dürfen das nicht glauben. Sie dürfen sich nicht den negativen Schwingungen hingeben, damit blockieren Sie die positiven Ströme. Meine Bekannte sieht auch für Sie eine große Gefahr. Der Tod ist in Ihrer Nähe. Glauben Sie mir, Frau Zardiss, es ist kein Quatsch.»
Minutenlang versuchte sie mich zu überzeugen, dass meine Ansicht zu ihren Methoden sich nur in meiner mangelnden Erfahrung mit Karten, Tischchen und dergleichen begründeten. Um mir das zu beweisen, lieferte sie mir eine exakte Beschreibung des großen, dunklen Mannes. Sie traf auf Kemnich ebenso zu wie auf Klinkhammer und tausend andere Männer mit dunklen Haaren. Auch Udo war dunkelhaarig.
Und während ich mich mit Regina Kolter auseinander setzte, saß er in Klinkhammers Büro – zusammen mit einem Anwalt, den sein Vater ihm besorgt hatte – und widerrief sein Geständnis.
Kurz vor acht erschienen Klinkhammer und Olgert, um die letztendrei Tagebücher abzuliefern und uns von der Wendung in Kenntnis zu setzen.
Es war ein Freitagabend, der 30. September. Olgert begann mit dem Hinweis, dass die Durchsuchung des Anwesens von Wirth und die gründliche Inspektion des grünen Audis leider erfolglos gewesen seien. Dann erklärte er, was Udo im Beisein des Anwalts zu Protokoll gegeben hatte.
Udo hatte Rena an dem Abend gar nicht gesehen. Er war bis um zehn bei seinem Schwager. Dann fuhr er heim, wollte sich in seiner kleinen Wohnung im Anbau verkriechen und sich die Augen aus dem Kopf heulen. Sein Vater ließ das nicht zu.
Der Alte kam aus dem Haus, als Udo gerade seinen Wagen abstellte. Er wies ihn vom Hof. Udo hatte Schwester und Nichten auf dem Gewissen, und ein Mörder hatte auf seinem Grund und Boden nichts zu suchen. Sollte er es wagen, noch einmal einen Fuß durch das Tor zu setzen, wollte der Alte ihn wie einen räudigen Hund über den Haufen schießen.
Udo setzte sich wieder in seinen Wagen und fuhr los, kreuz und quer durch die Gegend. Kurz vor zwölf fand er sich vor Hennessens Einfahrt wieder. Hennessen war noch im Stall. Udo bat ihn um seine Pistole. Er wollte sich erschießen. Hennessen erklärte ihn für übergeschnappt. Es kam zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf Hennessen sagte, wenn Udo sich umbringen wolle, solle er das mit seinem Auto tun. Es gäbe genug Bäume auf der Straße.
Udo fuhr erneut los, diesmal zu der Stelle, an der seine Schwester gestorben war. Er kroch eine Weile durch den Dreck. Dann setzte er sich wieder in den Wagen und fuhr zurück zum Reitstall. Es war kurz vor drei in der Nacht. Bei Hennessen war alles dunkel. Udo war müde und verkroch sich auf der Suche nach einem warmen Plätzchen und einer mitfühlenden Seele bei der verletzten Stute. Er wollte sie nur streicheln, aber plötzlich hielt er ein Messer in der Hand und stach blindwütig auf das Tier ein.
Als er sah, was er angerichtet hatte, warf er sich wieder hinters Steuer und fuhr zur Kiesgrube, diesmal fest entschlossen, sich das Leben zu nehmen. Aber der Teufel will nicht die, die freiwillig zu ihm kommen.
Er schlich zum Haus seiner Schwester, versteckte sich dort für eine knappe Stunde, versorgte das Vieh und fuhr mit Kuhlmanns Auto heim. Es kam zu einem heftigen Streit mit dem Vater, der die halbe Nacht unterwegs gewesen war, Udo zu suchen.
Das dringende Bedürfnis, mit einem Menschen zu reden, der ihn verstand, ließ Udo um sieben Uhr im Kuhstall zum Funktelefon greifen. Er rief bei uns an, weil er mehrfach die Erfahrung gemacht hatte, dass Renas Großvater ein verständnisvoller Mann war. Und bis dahin war meist Renas Großvater an den Apparat gekommen, wenn Udo bei uns angerufen hatte.
Diesmal nicht, eine junge, weibliche Stimme meldete sich. Udo dachte, es sei Rena, und sprach sie mit diesem Namen an. Als er begriff, dass es Renas Schwester war, legte er nach ein paar Sekunden ohne ein weiteres Wort auf.
Er fuhr zum Krankenhaus, wurde kurz nach neun von der Stationsschwester gebeten, das Zimmer zu verlassen, weil er seinen Schwager mit Jammern und Weinen nur
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