Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
zwar weniger dramatisch, aber im
Zusammenhang wird er für ihr Publikum schon von Interesse sein.
Ein neuer Wirbelsturm entsteht und nimmt Kurs auf Mittelamerika (wenn
man jedoch die Zeit berücksichtigt, die er für die Strecke
braucht und seine Unberechenbarkeit ins Kalkül zieht, wären
auch die kolumbianische Pazifikküste oder sogar die Baja
mögliche Ziele). Anscheinend erzeugen Stürme von
›Clems‹ Größe Ableger, die bald ebenso
groß werden. Sie verfügt also über viel Potential
für eine Schauergeschichte, aber sie wird es à la Berlina
dosieren, wie das Publikum von Sniffings es goutiert
-›hip, geil und cool‹, wie sie es selbst bezeichnet.
    Es ist wirklich ein gutes Gefühl, dort draußen ein
Publikum zu wissen, das tatsächlich Interesse an ihrer Arbeit
hat. Sie sitzt gemütlich auf der Rückbank ihres automatisch
gesteuerten Fahrzeugs und freut sich einfach nur des Lebens. In
wenigen Minuten muß sie sich an die schwierige Arbeit begeben,
die Informationen zu editieren; außerdem muß sie sich
noch intensiver mit Meteorologie befassen – wer hätte
jemals gedacht, daß sie sich einmal einen langweiligen alten
Wetterbericht wünschen würde? In den letzten drei Tagen hat
sie mehr über Fallströme gelernt, als sie jemals über
das Presseamt der Regierung wußte.
    Als Diem und Callare nun die Berichte auf dem Tisch haben, sich
miteinander abgestimmt, ihre Leute zusammengerufen haben und nach
ersten Lösungsansätzen für die befürchtete Krise,
die Entstehung von ›Clem Zwei‹, suchen (Carla hatte
indessen eine neue Nomenklatur vorgeschlagen; auf die ihr eigene
subtile Art wollte sie ihnen nämlich sagen, daß sie schon
lange vor dem Ende der Wirbelsturmsaison am Ende des Alphabets
angelangt wären), und bevor Präsidentin Hardshaw und
Generalsekretär Rivera noch begriffen haben, daß es
überhaupt einen ›Clem Zwei‹ gibt, hat Berlina
den Sturm bereits auf den Namen ›Clementine‹ getauft und
ihm eine Sondersendung von Sniffings gewidmet.
     
    Seit kurzem hält Louie es kaum mehr für sinnvoll, bei
der Arbeit Kontakt zu seinem Körper zu halten, und oft entledigt
er sich der lästigen Hülle, indem er sie einfach zu Bett
schickt. Die Anzahl der Prozessoren, mit denen er auf dem Mond
operiert, nimmt geometrisch zu, so daß sich seine Existenz
zunehmend von der Constitution auf den Mond zu verlagern
scheint.
    Sein in der Station deponierter Körper wacht nach
mehrstündigem Schlaf mit angenehmen Träumen erholt auf, und
in der Tat hat er das Immunsystem ein bißchen in Wallung
gebracht, denn zufällig hat er vor einigen Tagen eine
Einflußnahme des Gehirns festgestellt. Er hat Dr. Wo einen
entsprechenden Bericht zukommen lassen und daraufhin eine kurze
Anfrage erhalten, ob er wohl bereit wäre, den Nobelpreis in
Medizin mit ihm zu teilen. Vielleicht war es also doch mehr als nur
ein vager Gedanke. Aber er ist jetzt zu beschäftigt, um sich
auch noch damit zu befassen.
    Selbst ein Anruf von seinem Körper enerviert ihn; um den
Anruf entgegenzunehmen, muß er nämlich zurück in den
Erdorbit. Er glaubt schon, er hätte seine Meldungen nicht
rechtzeitig abgesetzt, aber dann erkennt er, daß jemand von der
Erde mit ihm sprechen will. Als er sich dann im Orbit befindet, sieht
er, daß Carla in der Leitung ist. Schnell transferiert er sich
wieder zum Mond, denn ihre Denkvorgänge laufen genauso schnell
ab wie die seinen.
    Und das, worüber sie mit ihm sprechen will, ist… nun, es
ist einfach wunderbar, es ist die bestmögliche Lösung
seines Körper-Geist-Problems. Erst als sie ihn darauf hinweist,
wird ihm seine merkwürdige Reaktion bewußt. »Ich
dachte, es würde dich vielleicht reizen,
fünfunddreißigmal tiefer ins All vorzustoßen als
irgendein Mensch zuvor.«
    »Was? Ja, natürlich, du hast recht, aber…«,
kommentiert er ihre Ausführungen. Er hat mehrere Wochen Normzeit
zur Verfügung, um darüber nachzudenken, während seine
Antwort die weite Signalstrecke bis zur Empfangsstation
durchläuft und ihre Reaktion den weiten Weg mit
Lichtgeschwindigkeit zu ihm zurückläuft. Er hat so viel
Zeit, um sein ganzes Leben mehrmals Revue passieren zu lassen, und
jedesmal aus einer anderen Perspektive, wobei es am Ende jedoch immer
auf dasselbe hinausläuft: es gab einmal eine Zeit, da er von
Pioniergeist erfüllt war, eine Zeit, in der er sich in eine
Reihe mit Hannibal und Leif Eriksson gestellt hatte. Und diese
Ära ist vor gerade zwei Wochen Normzeit zu Ende
gegangen…
    Was etwa achttausend

Weitere Kostenlose Bücher