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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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ihre
Hand und sagt: »Es ist nur… ich bin eben sehr gern mit dir
zusammen. Erst in diesem Monat ist mir klar geworden, wie gern ich zu
Hause arbeite. Und weil die Methankonzentration in der
Atmosphäre die nächsten zehn Jahre erhöht
ist…«
    »Das ist doch jetzt müßig«, sagt sie
lächelnd und stupst ihn mit dem Zeigefinger auf die Nase.
»Iß. Oder wechsle das Thema. Oder mach deiner Frau ein
paar Komplimente, daß sie sich bei dieser kurzen Vorwarnzeit
fein gemacht hat und mit dir ausgegangen ist.«
    Das entlockt ihm ein Lächeln; sie sieht in der Tat blendend
aus. Er mustert sie eine Minute lang intensiv und läßt den
Schwung des blonden Schopfes und die großen, strahlenden Augen
auf sich wirken… er läßt den Blick über den
pinkfarbenen Pullover wandern (er schmeichelt ihr wirklich)…
»Teufel, ja«, sagt er dann. »Von allen Leuten hier
siehst du am besten aus.«
    »Danke. Ich weiß, daß du dir wegen des Hurrikans
Gedanken machst, der Kurs auf die Karibik nimmt. Aber am meisten
sorgst du dich sicher wegen Jesse, Di.«
    Er hebt eine Schulter, was nicht mehr besagen soll, als daß
er ihre Worte vernommen hat. »Er ist schließlich schon
fast erwachsen und wird auch allein zurechtzukommen, es sei denn, er
begeht eine Dummheit. Ich wüßte gern, wie es ihm geht,
aber zur Zeit sitzt er sicher in einem Schutzraum und hofft,
daß der Sturm bald nachläßt. Wenn die Zivilisation
dieses Chaos überlebt, wird er sicher ein paar nette Geschichten
zu erzählen haben. Und bis dahin kann ich nichts für ihn
tun, sondern nur hoffen, daß er in Sicherheit ist.« Nun
stellt er fest, daß er den Wein schneller als beabsichtigt
ausgetrunken hat.
    Seufzend nimmt Lori seine Hand. »Du kannst nicht die Last der
ganzen Welt tragen, Schatz. Wirklich nicht.«
    Er grinst und drückt ihre Hand. »Das war vorhin gar
nicht so müßig«, meint er. »Solange die
Methankonzentration in der Atmosphäre erhöht ist,
müssen wir mit gigantischen Wirbelstürmen rechnen, und die
NOAA wird die Vorgänge dokumentieren…«
    Erneut legt sie ihm die Hand auf die Lippen, und als sie sicher
ist, daß er schweigt, füllt sie ihm wieder das Weinglas.
»Trink.« Sie neigt den Kopf leicht zur Seite und mustert
ihn wie ein Vogel, der nicht genau weiß, ob es sich bei dem
Objekt vor ihm um einen Regenwurm handelt. »Jetzt hör mir
mal genau zu. Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine besteht
darin, daß die Zivilisation die Stürme nicht übersteht und daß unsere Familie sich irgendwie
durchschlagen muß. Diese Aussichten sind wohl alles andere als
erfreulich, aber sie werden auch dadurch nicht besser, wenn du dem
Genuß eines zivilisierten Abendessens entsagst. Die zweite
Möglichkeit besteht darin, daß die Zivilisation zwar
überdauert, die Stürme aber noch jahrelang weitertoben.
Dann wird das alles zur Routine – und wenn es einmal Routine
geworden ist, hast du auch wieder Freizeit. So einfach ist
das.«
    Das ist plausibel; er nickt und widmet sich wieder seinem Essen.
Immer wieder schielt er zu ihr hinüber, um zu sehen, ob sie
traurig oder angespannt wirkt; aber ob sie die Sorgen nun
verdrängt oder von Natur aus optimistisch ist, sie lächelt
ihn nur an. So fügt es sich, daß der Wein, seine liebende
Frau und die Aussicht, heute nicht in einem Hotel in
Washington übernachten zu müssen, seine Stimmung doch noch
deutlich heben. Sie tanzen sogar ein paarmal zur Musik der Band in
der oberen Etage, bevor sie die Kinder aufsammeln, ins Auto steigen
und es für die Heimfahrt programmieren; während des
Fahrzeug automatisch nach Hause fährt, schlafen alle. Als sie
dann daheim angekommen sind, wird der Genuß, zusammen mit Lori
im Bett zu liegen, nur dadurch getrübt, daß er bald wieder
einschläft.
    Als Di am nächsten Morgen wieder im Zipline sitzt, ist
er zuversichtlich, das Problem zu bewältigen.
    * * *
    Weil das Auge von ›Clementine‹ nicht über sie
hinwegzieht, haben Jesse, Mary Ann und die Kinder keine Gelegenheit,
vor die Tür zu gehen, aber das macht im Grunde auch nichts.
Jesse geht der Gedanke durch den Kopf, daß weder die Herreras
noch ihre Enkel, Neffen und Nichten jemals so komfortabel gewohnt
haben.
    Sie durchleben achtundvierzig triste Stunden, wobei wahre
Sturzbäche an den Fenstern hinabströmen und Tag und Nacht
nur durch den Unterschied von fast dunkel und völlig dunkel
markiert werden. Der Sturm tobt mit unverminderter Heftigkeit, und
oft prallen schwere Objekte gegen die Mauern des Hauses, aber sonst
ereignet sich

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