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Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs

Titel: Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs Kostenlos Bücher Online Lesen
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sehen», versuchte ich zu erklären. «Das ist so eine Immigranten-Geschichte.»
    «Aber Sie sind doch gar keine Immigrantin», wandte jemand ein.
    «Da haben Sie recht», gab ich zu. «Kein Wunder, dass es nicht gewirkt hat.»
    Ich versuchte nur zu glätten. In Wahrheit hatte es bei Sophia ausgezeichnet gewirkt.
    Tatsache ist, dass chinesische Eltern sich Dinge leisten können, die in westlichen Augen undenkbar sind – und sogar gerichtlich zu belangen wären. Chinesische Mütter können zu ihren Töchtern sagen: «He, Dickerchen, nimm mal ein bisschen ab, du bist zu fett.» Westliche Eltern hingegen müssen das Thema auf Zehenspitzen umkreisen, dürfen allenfalls «gesundheitliche» Argumente vorbringen, das «F»-Wort nehmen sie jedoch nie in den Mund, und dennoch landen ihre Kinder wegen Essstörungen und negativem Selbstbild in der Therapie. Chinesische Eltern können ihren Kindern befehlen, Bestnoten nach Hause zu bringen. Westliche Eltern können ihre Kinder nur bitten, ihr Bestes zu versuchen. Chinesische Eltern können sagen: «Du bist ein faules Stück. Wenn du so weitermachst, bist du bald der letzte Trottel in der Klasse.» Westliche Eltern hingegen haben mit ihrem eigenen zwiespältigen Verhältnis zu Leistung und Erfolg zu kämpfen und versuchen sich einzureden, dass sie nicht enttäuscht darüber sind, was aus ihren Kindern geworden ist.
    Ich habe lang und angestrengt über die Frage nachgedacht, weshalb chinesische Eltern mit ihren Erziehungsmethoden durchkommen, und ich glaube, es gibt drei wesentliche Unterschiede in der Denkweise chinesischer und westlicher Eltern.
    Erstens ist mir aufgefallen, dass westliche Eltern extrem besorgt um die Selbstachtung ihrer Kinder sind. Es quält sie der Gedanke, wie die Kinder sich fühlen werden, wenn sie irgendwo versagen, und deshalb versuchen sie ihnen ununterbrochen zu versichern, dass sie trotzdem gut sind, auch wenn ihre Leistung bei einer Prüfung oder einem Konzertnur mittelmäßig war. Mit anderen Worten, westliche Eltern sorgen sich um die Psyche ihrer Kinder. Chinesische Eltern nicht. Sie setzen Stärke voraus, nicht Schwäche, und verhalten sich infolgedessen völlig anders.
    Zum Beispiel wird ein Kind, das ein A minus nach Hause bringt, von westlichen Eltern meistens gelobt. Die chinesische Mutter hingegen ringt vor Entsetzen nach Luft und will wissen, was schiefgegangen ist. Kommt ein Kind mit der Note B nach Hause, werden manche westlichen Eltern das Kind immer noch loben. Andere westliche Eltern setzen sich mit dem Kind hin und äußern zwar Missbilligung, achten dabei aber darauf, das Kind nicht zu verunsichern oder ihm das Gefühl zu geben, es sei unzulänglich, und ganz bestimmt sagen sie ihm nicht, dass es «dumm», «wertlos» oder «eine Schande» sei. Insgeheim befürchten die westlichen Eltern vielleicht, dass ihr Kind unter Prüfungsangst leidet oder für das Fach nicht begabt ist, vielleicht ist auch der Lehrplan nicht angemessen, oder es stimmt etwas mit der ganzen Schule nicht. Verbessern sich die Noten des Kindes nicht, vereinbaren sie womöglich einen Termin mit dem Schulleiter und stellen die Unterrichtsmethode in Frage oder zweifeln an der Qualifikation des Lehrers.
    Brächte ein chinesisches Kind die Note B nach Hause – was nie passiert –, käme es erst mal zu einem schreienden, haareraufenden elterlichen Donnerwetter. Daraufhin würde die am Boden zerstörte chinesische Mutter Dutzende, vielleicht Hunderte Prüfungsaufgaben beschaffen und mit ihrem Kind so lange pauken, bis es für ein A reicht. Chinesische Eltern fordern erstklassige Noten, weil sie überzeugt sind, dass ihr Kind dazu fähig ist. Schneidet ihr Kind nicht erstklassig ab, gehen die chinesischen Eltern davon aus, dass das Kind sich nicht genug angestrengt hat. Deshalb bestehtdie Antwort auf ungenügende Leistungen immer darin, das Kind niederzumachen, zu bestrafen, zu beschämen. Die chinesischen Eltern sind überzeugt, dass ihr Kind stark genug ist, um die Schande zu verkraften und daraus zu lernen. (Und wenn chinesische Kinder dann die erwarteten hervorragenden Leistungen bringen, ernten sie in den häuslichen vier Wänden genügend selbstwertstärkendes Lob von ihren stolzgeschwellten Eltern.)
    Zweitens glauben chinesische Eltern, dass ihre Kinder ihnen alles verdanken. Weshalb das so ist, weiß man nicht genau, aber es ist vermutlich eine Kombination aus der konfuzianischen Pflicht, die Eltern und Ahnen zu verehren, und dem Umstand, dass die Eltern für

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