Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
immer, Mr. Shugarts Anweisungen und Tipps zu wiederholen und zu verstärken, aber bei Lulu ging alles zäh – allein meine Anwesenheit machte sie reizbar und nervös.
Einmal platzte sie mitten während einer Übungssitzung heraus: «Hör auf , Mama! Hör endlich auf!»
«Aber Lulu, jetzt hab ich doch gar nichts gesagt», antwortete ich. «Kein einziges Wort.»
«Dein Hirn nervt mich», sagte Lulu. «Ich weiß, was du denkst.»
«Ich denke gar nichts», sagte ich entrüstet. In Wirklichkeit hatte ich gedacht, dass Lulu den rechten Ellbogen zu hoch hielt, dass ihre Dynamik völlig falsch war und dass sie besser phrasieren sollte.
«Stell einfach dein Hirn ab!», befahl Lulu. «Ich spiele keinen Ton mehr, wenn du nicht dein Hirn abstellst.»
Lulu versuchte immer, mich zu provozieren. Mit mir zu streiten war eine Möglichkeit, nicht zu üben. Diesmal biss ich nicht an. «Okay», sagte ich ruhig. «Wie soll ich das machen?» Manchmal entschärfte es ihren Zorn, wenn ich ihr die Kontrolle überließ.
Lulu dachte nach. «Halt dir fünf Sekunden die Nase zu.»
Ein Glücksfall. Ich gab nach, und das Üben ging weiter. Das war einer unserer guten Tage.
Lulu und ich waren unvereinbar und zugleich unentwirrbaraneinandergekettet. Als die Mädchen klein waren, legte ich eine eigene Computerdatei an, in dem ich bemerkenswerte Gespräche Wort für Wort festhielt. Hier ist ein Wortwechsel zwischen der etwa siebenjährigen Lulu und mir:
A: Lulu, irgendwie sind wir doch gute Kumpels.
L: Ja – irgendwie schrecklich.
A: !!
L: War nur Spaß! (umarmt die Mama)
A: Ich schreib auf, was du gesagt hast.
L: Nein, nicht! Das klingt so gemein!
A: Das mit der Umarmung lass ich weg.
Eine nette Nebenwirkung meiner extremen Erziehung war, dass Sophia und Lulu einander sehr nahe waren: Leidensgefährtinnen im Kampf gegen ihre erdrückende, fanatische Mutter. «Sie ist wahnsinnig», hörte ich sie miteinander kichern, aber mich kümmerte es nicht, ich war nicht empfindlich wie manche westlichen Eltern. Wie ich zu den Mädchen oft sagte: «Mein Ziel als Mutter ist es, euch auf die Zukunft vorzubereiten – nicht, mich bei euch beliebt zu machen.»
In einem Frühling bat der Leiter der Neighborhood Music School Sophia und Lulu, auf einer speziellen Galaveranstaltung zu Ehren der Sopranistin Jessye Norman, die in Verdis Aida die Titelpartie gesungen hat, als Schwesternduo aufzutreten. Zufällig ist Aida die Lieblingsoper meines Vaters – Jed und ich heirateten sogar zu den Klängen des Triumphmarsches –, und ich sorgte dafür, dass meine Eltern aus Kalifornien herkommen konnten. In identischen Kleidern führten die Mädchen Mozarts Sonate in e-Moll für Violine und Klavier auf. Meiner Meinung nach war das Stück noch ein bisschenzu hoch für sie – das Wechselspiel zwischen Geige und Klavier klappte nicht ganz, klang nicht ganz wie ein Gespräch –, aber das schien niemand sonst zu bemerken, und die Mädchen waren die Stars des Abends. Jessye Norman sagte anschließend zu mir: «Ihre Töchter sind so begabt – Sie haben wirklich Glück mit ihnen.» Bei allen unseren Kämpfen und Auseinandersetzungen – diese Erlebnisse zählen zu den Höhepunkten meines Lebens.
10 Bissspuren und Luftblasen
Chinesische Eltern können sich manches erlauben, womit westliche Eltern nicht durchkämen. Als Kind war ich einmal – vielleicht mehr als einmal – äußerst respektlos gegenüber meiner Mutter und wurde dafür von meinem Vater zornig in unserem Heimatdialekt als «Abfall» beschimpft. Es wirkte Wunder. Ich war entsetzlich beschämt und bereute zutiefst, was ich getan hatte. Aber meiner Selbstachtung hat es keinen Abbruch getan, und es beschädigte mich auch sonst nicht: Ich hielt mich durchaus nicht für wertlos oder für Abfall.
Als Mutter machte ich es einmal genauso und nannte Sophia, nachdem sie sich eine grobe Frechheit erlaubt hatte, «Müll», auf Englisch. Auf einer Dinnerparty erzählte ich von dem Vorfall und wurde auf der Stelle geächtet. Ein Gast, eine Frau namens Marcy, geriet derart außer sich, dass sie in Tränen ausbrach und vorzeitig gehen musste. Meine Freundin Susan, die Gastgeberin, versuchte bei den verbliebenen Gästen mein Ansehen wiederherzustellen.
«Du lieber Himmel, das ist doch alles ein Missverständnis. Das war doch nur im übertragenen Sinn so gemeint, nicht wahr, Amy? Du hast Sophia nicht wirklich als Müll bezeichnet?»
«Ähm, doch, eigentlich schon. Aber man muss das im Kontext
Weitere Kostenlose Bücher