Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
an nichts anderes denken als an die Arbeit, die vor uns lag. Obwohl relativ einfach, war das Viotti-Konzert gegenüber allem Bisherigen ein riesiger Sprung. Die Kadenz strotzt nur so von raschen Saitenwechseln samt Doppel- und Dreifachgriffen – Akkorde auf zwei beziehungsweise drei Saiten gleichzeitig –, die sehr schwer sauber zu spielen sind.
Ich wollte die Kadenz erstklassig haben. Ich war wie besessen davon. Der restliche Viotti war okay – Teile davon ein bisschen pedantisch –, aber Mr. Shugart hatte schon recht: Das Stück lebte von der Kadenz. Und etwa eine Woche vor dem Konzert wurde mir klar, dass Lulus Kadenz das Zeug hatte, spektakulär zu werden. Die melodischen Passagen spielte sie mit Gefühl und Ausdruck; derlei gelang ihr intuitiv. Nicht annähernd so gut waren die Abschnitte, die technische Präzision verlangten – insbesondere eine haarsträubende Serie von Doppelgriffen mit Saitenwechseln gegen Ende. Beim Üben klappten sie nie zuverlässig, sondern immer nur auf gut Glück. Wenn Lulu in Stimmung und bei der Sache war, schaffte sie die Griffe auf Anhieb; war sie schlecht gelaunt oder unkonzentriert, misslang die ganze Kadenz. Das Schlimmste war, dass ich keinerlei Einfluss auf ihre Stimmung hatte.
Dann kam mir eine Erleuchtung. «Lulu», sagte ich, «wir treffen eine Vereinbarung, okay?»
«O nein, nicht schon wieder», stöhnte Lulu.
«Diesmal ist sie gut, Lulu, du wirst schon sehen. Es wird dir gefallen.»
«Was – zwei Stunden üben, und dann muss ich nicht den Tisch decken? Nein, danke schön.»
«Jetzt hör mir doch mal zu. Wenn du diese Kadenz nächsten Samstag richtig gut spielst – besser, als du sie je gespielt hast –, dann kriegst du was ganz Unglaubliches, von dem du total begeistert sein wirst , das weiß ich.»
«Wie zum Beispiel ein Keks?», fragte Lulu verächtlich. «Oder fünf Minuten Computerspiel?»
Ich schüttelte den Kopf. «Etwas so Phantastisches, dass du nicht widerstehen kannst.»
«Einen Nachmittag mit Freundinnen?»
Wieder schüttelte ich den Kopf.
«Schokolade?»
«Lulu!», sagte jetzt ich verächtlich. «Glaubst du etwa, ich denke, du könntest Schokolade nicht widerstehen? Da kenn ich dich besser, glaub mir. Nein, ich meine etwas, das du NIE IM LEBEN errätst.»
Und ich hatte recht. Sie erriet es nie – wahrscheinlich, weil es unter den gegebenen Umständen im Bereich des Undenkbaren lag.
Schließlich sagte ich es ihr. «Ein Haustier. Einen Hund. Wenn du die Kadenz nächsten Samstag perfekt spielst, kaufe ich uns einen Hund.»
Zum ersten Mal in ihrem Leben war Lulu sprachlos. «Einen … Hund?», wiederholte sie. «Einen lebendigen?», fügte sie dann argwöhnisch hinzu.
«Ja. Einen Welpen. Ihr beide, du und Sophia, entscheidet, was es für einer sein soll.»
Und damit hatte ich mich selber hereingelegt, und unser Leben veränderte sich für immer.
Teil 2
Der Tiger ist immer angespannt und gern in Eile.
Er ist sehr selbstsicher, manchmal vielleicht zu selbstsicher. Er will sich nicht unterordnen, sondern erwartet Gehorsam von anderen. Passende Berufe sind zum Beispiel: Werbeakquisiteur, Geschäftsführer, Reiseleiter, Schauspieler, Schriftsteller, Pilot, Flugbegleiter, Musiker, Komiker und Chauffeur.
13 Coco
Coco ist unser Hund, das erste Haustier meines Lebens. Nicht für Jed: Er hatte als Junge einen Köter namens Frisky. Das war ein Kläffer und wurde von bösen Nachbarn, als Jeds Familie verreist war, entführt und eingeschläfert. So jedenfalls Jeds Verdacht. Es ist natürlich auch möglich, dass Frisky einfach durchbrannte und bei einer liebevollen Washingtoner Familie unterkam.
Streng genommen war Coco auch für Sophia und Lulu nicht das erste Tier: Eine erste Tortur, die zum Glück nicht von Dauer war, hatten wir schon hinter uns. Als die Mädchen noch sehr klein waren, schenkte ihnen Jed ein Paar Zwergkaninchen, die Whiggy und Tory hießen. Ich verabscheute sie vom ersten Augenblick an und wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Sie waren unintelligent und leider auch nicht das, was sie zu sein vorgaben: Der Verkäufer in der Tierhandlung hatte Jed versichert, sie seien Zwergkaninchen und blieben für immer klein und niedlich. Eine grobe Lüge. Binnen Wochen waren sie riesig und fett. Sie bewegten sich wie Sumo-Ringer – sie sahen aus wie Sumo-Ringer! – und passten kaum noch in ihren sechzig mal neunzig Zentimeter großen Käfig. Außerdem besprangen sie einander dauernd, obwohl es zwei Männchen waren,
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