Die Mutter des Erfolgs - Die Mutter des Erfolgs
kläfften sich Coco und Pushkin heiser. Es war völlig klar, was passiert war.
In dem Moment betrat Sophia zerknirscht, mit einem Besen in der Hand die Küche.
Ich ging sofort in die Luft. «Sophia, du hast es schon wieder getan! Du hast die Tür zur Speisekammer offen gelassen! Wie oft habe ich dir gesagt, dass die Hunde sich über den Reis hermachen? Jetzt ist der gesamte 25-Kilo-Sack dahin –und die Hunde werden wahrscheinlich sterben. Nie hörst du mir zu! Immer sagst du: ‹Oh, tut mir leid, ich mach’s nie wieder – ich bin so schrecklich – du wirst mich sicher umbringen› – aber nie ändert sich was. Das Einzige, was dich interessiert, ist, dich aus allem rauszuhalten. Wie’s anderen geht, ist dir vollkommen egal. Ich hab’s satt , deinen tauben Ohren zu predigen – total satt!»
Jed hat mir immer vorgeworfen, dass ich zu maßloser Übertreibung neige und die geringsten Versehen als gewaltige moralische Schuld darstelle. Sophias Strategie bestand meist darin, den Kopf einzuziehen und zu warten, bis das Gewitter vorbei war.
Diesmal nicht. Diesmal schrie Sophia zurück. «Mama! Ich mach es weg, okay? Du führst dich auf, als hätt ich eine Bank überfallen. Merkst du überhaupt, was für eine brave Tochter ich immer bin? Alle, die ich kenne, hängen dauernd auf Partys rum, trinken und nehmen Drogen. Und was tu ich? Jeden Tag renne ich von der Schule direkt nach Hause. Ich renne . Neulich fiel mir das plötzlich auf, und ich dachte, wieso eigentlich? Wieso renne ich nach Hause? Natürlich, um Klavier zu üben! Du redest ständig von Dankbarkeit, dabei solltest du mir dankbar sein. Lass doch deinen Frust nicht an mir aus, nur weil du Lulu nicht mehr im Griff hast!»
Sophia hatte vollkommen recht. Ich hätte sie in die Arme nehmen und mich entschuldigen sollen. Sechzehn Jahre lang hatte sie mich stolz und mein Leben leichtgemacht. Aber weil chinesische Mütter so etwas nicht tun, sagte ich: «Ich habe nie von dir verlangt, dass du rennst – das ist doch dumm. Und wenn du Drogen nehmen willst, bitte sehr. Vielleicht lernst du in der Entzugsklinik einen netten Typen kennen.»
«Die Machtverteilung in dieser Familie ist lächerlich», protestierte Sophia. «Ich mach die ganze Arbeit, ich tue alles, was du sagst, dann passiert mir ein Fehler, und du schreist mich an. Lulu macht nie, was du sagst. Sie widerspricht dir und schmeißt mit Sachen. Du bestichst sie mit Geschenken. Was für eine ‹chinesische Mutter› bist du eigentlich?»
Damit hatte Sophia wahrlich den Nagel auf den Kopf getroffen. Dies mag ein guter Anlass sein, um eine wichtige Frage bezüglich chinesischer Erziehung und Geschwisterordnung anzusprechen. Vielleicht nur bezüglich der Geschwisterordnung. Eine Studentin namens Stephanie erzählte mir neulich eine eigenartige Geschichte. Als Älteste und Tochter koreanischer Einwanderer, sagte sie, sei sie von ihrer Mutter, als sie in der Highschool war (nur beste Noten, Mathegenie, Konzertpianistin), bedroht worden: «Wenn du dies und jenes nicht tust, bring ich dich nicht in die Schule.» Und bei dieser Aussicht wurde ihr heiß und kalt vor Angst – die Schule verpassen! Also tat sie alles, was die Mutter von ihr verlangte, und hoffte verzweifelt, nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Wenn die Mutter hingegen dieselbe Drohung bei Stephanies jüngerer Schwester anzuwenden versuchte, antwortete die Schwester: «Supertoll! Ich bleibe sehr gern zu Hause. Ich hasse die Schule.»
Natürlich gibt es zahlreiche Ausnahmen, aber dieses Muster – das vorbildliche ältere, das rebellische jüngere Kind – ist eindeutig sehr weit verbreitet, und vor allem in Einwandererfamilien. Ich dachte einfach, ich könnte es in Lulus Fall mit schierer Willenskraft und harter Arbeit durchbrechen.
«Wie du weißt, Sophia, habe ich Probleme mit Lulu»,räumte ich ein. «Was bei dir geklappt hat, funktioniert bei ihr nicht mehr. Es ist schrecklich.»
«Ach … mach dir keine Sorgen, Ma», sagte Sophia in plötzlich freundlichem Ton. «Das ist nur eine Phase. Es ist furchtbar, wenn man dreizehn ist – mir ging es total schlecht. Aber dann wird es wieder besser.»
Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass es Sophia mit dreizehn schlechtgegangen war. Wenn ich es recht bedenke, hatte meine Mutter auch keine Ahnung gehabt, dass ich mit dreizehn gelitten hatte. Wie in den meisten chinesischen Einwandererfamilien gab es bei uns keine «Gespräche von Frau zu Frau». Meine Mutter erzählte mir nichts vom
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