Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Feuer, das gar nicht da war. Sie ging durch ihn hindurch, kreiste zusammen mit dem kranken Blut, das in seinen Adern floss, durch seinen Körper. Als die Wärme seinen Kopf erreichte, überkam ihn ein Schwindelgefühl. Ein kurzer Anflug von Übelkeit.
Als es vorüber war, war er wiedergeboren.
Herodes musterte seine Handrücken, und obwohl er keine sofortige Veränderung an ihrer verkrümmten Form oder schorfübersäten Oberfläche gewahrte, sagte ihm etwas, dass dem bald so sein würde. Etwas sagte ihm, dass er geheilt war. Ihm traten Tränen in die Augen. Es war zu viel, ging zu schnell. Und trotz sämtlicher doppelzüngiger Ränke, die er in das Zelt des Magiers gebracht hatte, konnte er nicht anders, als in einem Augenblick wie diesem aufrichtig gerührt zu sein.
»Es gibt keine Zufälle in diesem Leben«, sagte er, als eine Träne sich von ihren Fesseln freimachte und sein jämmerliches Gesicht hinablief. »Das Schicksal hat uns zusammengeführt, dich und mich. Und Großes wird sich daraus ergeben.«
Der Magier schenkte Herodes als Antwort den Anflug eines Lächelns …
Herodes ging es tatsächlich viel besser. Er war fast wieder der Alte. Und solange er den Magier an seiner Seite hatte, würde er immer gesünder werden. Stärker. Vielleicht würde er die Macht nicht so bald an seinen Sohn abtreten müssen, wie er gedacht hatte. Vielleicht würde er die Macht überhaupt niemals abtreten müssen. Wenn es ihm weiterhin immer besser ging – wenn dieses warme, seltsame Gefühl weiterhin durch seine Adern sickerte –, wer wusste dann schon zu sagen, wie lange er leben würde? Wie viel mehr er erbauen könnte?
Eines war gewiss: Er war nicht länger Caesars Marionette. Augustus würde sich mit ihm auseinandersetzen müssen. Ihn respektieren. Ihn vielleicht sogar fürchten. Und während das judäische Heer Caesars Armee nicht das Wasser reichen konnte, würden die Römer es nicht wagen einzufallen. Nicht solange Herodes den Magier an seiner Seite hatte. Und nicht solange er seine jüdischen Untertanen taktisch klug lenkte.
Sie hassen Augustus genauso sehr wie ich. Ich werde sie aufpeitschen, bis sie sich in eine Raserei der Unabhängigkeit hineinsteigern. Ich werde es einen »Aufstand gegen Rom« nennen, und sie werden es mir abkaufen.
Diese Visionen wirbelten um ihn herum, tanzten und drehten sich wunderschön. Es war komisch, wie so viele Jahre des Elends und Zweifels mit einem Mal spurlos von ihm abgefallen sein konnten. Herodes hatte sich mit seinem jämmerlichen Dasein abgefunden gehabt. Insgeheim hatte er natürlich gehofft. Doch Hoffnung war der Wein der Schwachen, und er hatte sich geschämt, auch nur gelegentlich daran zu nippen. Doch hier war seine Gesundheit – auf aufsehenerregendere Weise wiederhergestellt, als er es sich hätte erträumen können. Er blickte auf seine Hände. Betastete seine Wangen. Das Einzige, was Herodes noch sehnlicher zu sehen wünschte als sein eigenes Spiegelbild, war der Anblick dieses »Balthasar«, wie er auf die schrecklichste Art starb: Seine Fingernägel würden einer nach dem anderen ausgerissen werden, man würde ihm die Genitalien abhacken und vor seinen Augen verbrennen, jede einzelne Gliedmaße würde mit einem Knüppel zerschmettert, und seine Haut in Streifen geschnitten und von der darunterliegenden Muskulatur abgeschält werden.
Ein neues Geräusch drang an die Ohren des Herodes, während der Geruch nach salziger Luft immer stärker wurde. Es war nicht die Meeresbrandung – noch nicht. Doch es war nass. Es fängt zu regnen an. Er zog die Vorhänge seiner Reisesänfte zurück und erblickte die ersten dicken Tropfen, die vom grauen Himmel fielen und auf den staubigen Wüstenboden platschten. Es war ein seltener, aber willkommener Anblick im Süden Judäas. Die Welt war wieder lebendig. Regen war ein Segen. Und ein weiteres Zeichen dafür, dass es nicht in Gottes Macht stand, ihm Einhalt zu gebieten.
Das Wort »Sommerpalast« ließ an eine idyllische kleine Villa am Strand denken. Doch alles in allem war das Küstenanwesen des Herodes beinahe zweimal so groß wie sein Zwillingspalast in Jerusalem, und das alles unter einem Dach und nicht unter zweien. Es handelte sich um eines der jüngeren Bauprojekte von Herodes, errichtet mit sämtlichen Annehmlichkeiten, die die moderne Welt zu bieten hatte: Nachttöpfe, Fensterscheiben, beheizte Bäder. Außerdem gab es einen gewaltigen silbernen Spiegel im königlichen Schlafgemach. Von sämtlichen Annehmlichkeiten
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