Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Magie«, fuhr Herodes fort. »Sie hat nichts mehr übrig für Priester oder verkümmerte alte Könige und ihre kleinen Reiche. Ihr liegt nur an Rom und seinem Kaiser. Die Welt ist dazu da, ihm zu dienen. Wir sind dazu da, ihm zu dienen. Und solange wir es tun, gehört jegliche Macht, die wir besitzen, ihm.«
Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er war drauf und dran, Verrat zu begehen.
»Allein«, fuhr Herodes fort, »sind wir beide … nichts. Ich, ein König, der zwei Caesaren erlebt hat, der sein kleines Königreich mit Roms Erlaubnis regiert. Du, ein Zauberer, den man wie eine Rüstung weggesperrt hat. Der nur hervorgezogen wird, wenn Augustus Schutz vor seinen Feinden braucht. Doch keinem von uns ist je gestattet worden, die Grenzen unserer Macht auszuloten, und man hat uns gewiss nie erlaubt, sie zu unserem eigenen Vorteil einzusetzen. Nein, so etwas wäre eine Bedrohung der Macht des Kaisers. Allein sind ein König und ein Zauberer nichts im Vergleich zu Rom. Doch gemeinsam …«
Jetzt kommt es … mach es ihm deutlich. Lass ihn begreifen, wie herrlich es sein könnte.
»Mein Königreich? Deine Fähigkeiten? Gemeinsam könnten wir etwas Herrliches aufbauen. Eine Gewalt, die Rom herausfordern könnte. Die vielleicht sogar das neue Reich des Ostens werden könnte. Ein Reich, das von zwei Königen beherrscht würde – von dir und mir, Seite an Seite. Augustus weiß dich vielleicht nicht zu schätzen, ich hingegen schon. Er hat Angst vor deiner Macht. Ich heiße sie willkommen.«
Er machte weiter, lobte die Meisterschaft des Magiers über die Elemente, versprach ihm die Dinge, die alle Menschen wollten: Macht, Reichtum, Sex. Und vor allem Anerkennung . Eine Gelegenheit, aus dem Schatten des Kaisers zu treten, aus dem Schleier aus Geheimhaltung und Frömmigkeit. Als er spürte, dass er den Magier ganz und gar in Versuchung geführt hatte – was er allerdings nur vermuten konnte, weil dieser sich das Versuchtsein nach außen nicht anmerken ließ –, kam Herodes zum Abschluss:
»Alles, was mein ist, gehört dir, wenn du es willst. Meine Krone, mein Heer, mein Vermögen, meine Paläste und sämtliche Schätze und Frauen darin. Herrsche mit mir. Herrsche mit mir, und wir können uns beide aus der Knechtschaft befreien. Wir können etwas errichten, dessen Echo bis in alle Ewigkeit zu hören sein wird.«
Der Magier ließ das Gesagte lange Zeit auf sich wirken. Dann, nachdem er sich entschieden hatte, wandte er sich wieder seinem Abendessen zu, ohne auch nur den Kopf zu schütteln. Einen Augenblick sah Herodes alles seinen Fingern entgleiten.
Ich habe mich übernommen …
Jetzt würde Herodes nicht nur das vorenthalten werden, weswegen er gekommen war, sondern er würde vor dem Kaiser als Verräter gebrandmarkt und ins Ödland des Todes verbannt werden. Glücklicherweise hatte sich der Magier gar nicht zu seinem kalten Lammfleisch umgedreht – sondern zu einem Stapel Pergamentpapier. Herodes beobachtete nervös, wie er etwas hinkritzelte, sich erneut umdrehte und ihm das Blatt reichte.
Und für dich?
»Alles, was ich begehre, ist deine Partnerschaft«, sagte Herodes.
Der Magier deutete erneut auf jedes einzelne Wort und betonte ein jedes, indem er mit dem Finger auf das Pergament klopfte.
Und. Für. Dich?
Herodes lächelte. Dieser kleine Priester gefiel ihm. Kein Schwachsinn, keine Spielchen. Es dauerte einen Moment, bis Herodes seine wahre Antwort gab. Fast brachte er es nicht über sich, es auszusprechen. Es waren bloß zwei kleine Wörter, doch es hing so viel daran. So viel … Hoffnung. Der Wein der Schwachen. Und wenn der Magier nicht in der Lage war zu tun, worum er ihn bat? Wenn er einfach Nein sagte? Dann wäre die letzte Option des Herodes erschöpft, und seine visionäre Kraft hätte ihn im Stich gelassen.
»Meine Gesundheit«, sagte er nach einer Weile. »Im Gegenzug erbitte ich mir meine Gesundheit – jedenfalls, wenn du mächtig genug sein solltest, sie mir zurückzugeben.«
Jetzt war es an dem Magier zu lächeln, denn er hatte es natürlich geahnt. Er hatte es von der Minute an gewusst, als der Marionettenkönig von Judäa mit seiner Sprücheklopferei angefangen hatte. Er erhob sich zu seiner ganzen bescheidenen Größe, richtete sein Gewand, schloss die Augen und murmelte leise einen Zauberspruch. Eine Reihe unverständlicher Wörter in einer längst toten Sprache.
Einen Augenblick später wurde Herodes von einer seltsamen, unsichtbaren Energie gepackt, einem warmen Luftzug von einem nahen
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