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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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und reihenweise ordentlich gepflanzte Bäume in den heißesten Monaten Schatten. Und da das nicht ausreichte, gewährten zwei runde Teiche – die sich beide aus identischen Bronzebrunnen speisten – Erquickung von der Hitze.
    Balthasar wusste auf der Stelle, weshalb Herodes zwei identische Paläste erbaut hatte. In einem befand sich zweifellos sein Thronsaal, in dem er Hof hielt, offizielle Bankette veranstaltete und ausländische Würdenträger begrüßte. Und wo er immer neue Gräueltaten gegen sein Volk ersinnt und in Angst vor einem Mann lebt, der sich tausend Meilen weit entfernt befindet. Dieser Palast zeichnete sich durch die davor wimmelnden Höflinge, Offiziere und Weisen aus – wobei Letzteres ein Titel war, der alle möglichen Funktionen vom Ratgeber bis hin zum Leibarzt abdeckte, für gewöhnlich aber Priester bezeichnete.
    Auf der anderen Seite des Hofes, in etwa neunzig Metern Entfernung, diente der andere Palast als Privatresidenz des Herodes, mit Gemächern für seine Ehefrauen, seine Söhne und deren Ehefrauen, beheizten Bädern und einem persönlichen Harem von etwa vierzig Frauen – die er alle aus der örtlichen Bevölkerung »rekrutiert« hatte, und von denen keine einzige älter als sechzehn war. Dieser Palast zeichnete sich durch die davor spielenden Kinderhorden und die jungen Frauen aus, die sich im Freien sonnten. Zwei Paläste. Einer für das Geschäft und einer für das Vergnügen.
    Der Mann war ein Wahnsinnsbauherr. Das musste man ihm lassen.
    Wie nicht anders zu erwarten wurde Balthasar von seiner soldatischen Eskorte auf den Geschäftspalast zugeführt. Doch vom Geschäftlichen mal ganz abgesehen hegte er nicht den geringsten Zweifel, dass es Herodes zudem ausgesprochenes Vergnügen bereiten würde, ihn umzubringen.

Balthasar war davon ausgegangen, dass man ihn direkt in den Thronsaal führen würde. Ihn ein oder zwei Minuten vor Herodes zur Schau stellte, verhöhnte, vielleicht folterte, je nach Laune des Königs, und zur allgemeinen Belustigung hinrichtete. Schnell und einfach.
    Doch der König war ein viel beschäftigter Mann, und selbst ein Gefangener von Balthasars Kaliber musste auf einen Termin warten. Hier war er nun in einem Vorzimmer, beinahe eine Stunde nach seiner Ankunft in dem Palast, und wartete auf einer steinernen Bank gleich vor der geschlossenen Flügeltür des Thronsaals. Judäische Soldaten saßen rechts und links von ihm, und ihr Hauptmann ging in der Nähe nervös auf und ab und übte insgeheim seine Präsentationsrede. Und du entwirfst wahrscheinlich das neue Haus, das du mit dem ganzen Geld erbauen wirst, du selbstgerechter …
    »Schon wieder!«, schrie eine raue, gedämpfte Stimme von der anderen Seite der Thronsaaltür.
    Herodes.
    Er musste es sein. Wer sonst würde in einem Thronsaal derart schreien?
    Es war komisch – sie beide hatten in der Vergangenheit so viel miteinander zu tun gehabt, hatten einander so viel Ärger bereitet. Dennoch waren sie sich nie persönlich begegnet. Balthasar hatte keine Ahnung, wie sein Erzfeind aussah. Sicher, es gab das vertraute Profil, das auf sämtliche Münzen geprägt wurde – und die Mosaiken und die Steinmetzarbeiten und die Statuen. Doch Balthasar hatte die Erfahrung gemacht, dass diese Abbildungen für gewöhnlich ein wenig schmeichelhaft waren, wenn man sie mit dem Original verglich.
    Selbst durch die geschlossene Tür hindurch konnten Balthasar und die judäischen Soldaten – die sich redlich bemühten, so zu tun, als würden sie nicht lauschen – jedes einzelne Wort verstehen:
    »Dreißig Jahre!«, fuhr die raue Stimme fort. »Dreißig Jahre lang habe ich diese Stadt nun zu dem gebaut, was sie ist! Ich habe Judäa in ein neues Zeitalter geführt! Aber was ich auch tue – wie viele herrliche Denkmäler ihrem Gott zu Ehren ich auch errichte –, ich muss mir immer noch das hier anhören! Diesen Unsinn! Diesen Verrat!«
    »Und wenn der Große Tempel wieder errichtet ist«, zitierte eine ruhigere Stimme die Prophezeiungen, »wenn die Stadt Davids überrannt wurde und die Ruinen Judäas zu neuem Leben geboren werden, wird der neue Messias erscheinen – geboren von einer Jungfrau in der Stadt Bethlehem.«
    »Ja … das habe ich alles schon gehört.«
    »Und mit ihm werden sich die Toten erheben, und die alten Plagen werden wieder …«
    »Du vergeudest deinen Atem.«
    »Die alten Plagen werden wiederkehren und die Ungläubigen dahinraffen. Die Könige der Erde werden machtlos sein, und eine Stimme wird sich

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