Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
eingeübt hatte – an den König. »Mächtiger Herodes! Es ist mir eine Ehre, Euch den Geist …«
»Ja, ja.« Herodes winkte ab. »Lass uns allein.«
Balthasar bemerkte Petrus’ enttäuschte Miene, als ihm klar wurde, dass er einfach so abgetan wurde. Dem Hauptmann war anzusehen, wie die Visionen von Beförderungen und Sklaven und einer Belohnung vor seinen Augen dahinschwanden. Das machte Balthasars derzeitige Notlage beinahe wieder wett.
Während Petrus beleidigt abzog, betrachtete Herodes Balthasar von seinem Thron aus. Musterte ihn mit diesen gelben Augen.
Balthasar hatte die Erfahrung gemacht, dass mächtige Männer entweder Katzen oder Hunde waren. Hunde waren einfach gestrickt. Direkt. Wenn man einem Hund etwas zuleide tat, bellte er, rammte einem die Zähne ins Fleisch und schüttelte einen, bis man tot war. Doch Katzen … Katzen waren verschlagen. Katzen spielten gern mit ihrer Beute, bevor sie sie auffraßen.
»Der Geist von Antiochia!«, rief Herodes. Mit weit ausgebreiteten Armen kam er die Stufen seines Throns herunter. »Du erweist mir eine große Ehre, indem du meinem bescheidenen Palast einen Besuch abstattest.«
Katze.
Herodes stieg weiter die Stufen herunter, bis er nahe genug war, um Balthasar eine Hand auf die Schulter zu legen. So nahe, dass Balthasar der Verwesungsgestank in die Nase stieg, den Herodes verströmte. Die Fäulnis von Pilzen und Geschwüren. Der Geruch des Todes. Unvermittelt hatte Balthasar eine Vision von Herodes, der des Nachts durch seinen Harem strich und sein nacktes, krankes Fleisch an das seiner Konkubinen presste. Wie er seinen verwesenden Leib Frauen aufzwang, die ein Viertel so alt waren wie er. Beinahe hätte Balthasar sich erneut übergeben.
»Endlich treffen wir uns. Die beiden berühmtesten Männer ganz Judäas.«
Balthasar sah geradeaus. Nicht auf Herodes, nicht an ihm vorbei, sondern durch ihn hindurch. Genau wie er den judäischen Soldaten nicht die Genugtuung gegönnt hatte zu sehen, wie er sich wand, würde er ihrem König nicht die Genugtuung einer Antwort gewähren – selbst wenn es ihm ein wenig schmeichelte, in Sachen Berühmtheit mit Herodes verglichen zu werden.
»Obwohl: Wie berühmt kann ein Mann schon sein, wenn er noch nicht einmal einen Namen hat?« Herodes trat zurück und bewunderte seine Trophäe einen Augenblick lang. »Bitte«, sagte er. »Ich muss es wissen. Ich muss wissen, wie der richtige Name des Mannes lautet, der nun schon seit so vielen Jahren so viel meiner Zeit beansprucht. Dessen Namen ich – das gebe ich zu – häufig von diesem Raum aus verflucht habe.«
Kein Wort von Balthasar. Noch nicht einmal ein Zucken seiner aufgesprungenen Lippen.
»Ja«, sagte Herodes nach ein paar Momenten des Schweigens. »Tja … irgendetwas muss ein Mann wohl mit ins Grab nehmen.«
Herodes trat zurück und ging nun auf und ab – zur großen Erleichterung von Balthasars Nasenlöchern.
»Weißt du«, fuhr Herodes fort, »manche meiner Berater sagen, ich sollte dich auf der Stelle umbringen lassen. Gleich jetzt, in ebendiesem Raum. Sie sagen mir, eine öffentliche Hinrichtung sei zu riskant. Dass du zu viele Bewunderer im Volk hättest.«
Balthasar konnte einen gewissen Stolz nicht unterdrücken. Die Menschen lieben Prominente.
»Aber ich habe Nein zu ihnen gesagt! ›Ihr überschätzt die Öffentlichkeit!‹, habe ich gesagt. Denn es gibt nur eines, was die Leute noch mehr lieben als einen Geächteten: zu sehen, wie er bestraft wird!«
Zu Balthasars Bedauern hegte er den Verdacht, dass Herodes recht haben könnte. Doch er schwieg weiter. »Morgen werde ich dir die Hinrichtung angedeihen lassen, die du verdient hast. Den schrecklichen, qualvollen Tod, um den du mich nun schon seit Jahren anbettelst. Und trotz allem, was meine Berater sagen, kann ich dir mit absoluter Gewissheit versichern, dass dein Leiden dem Volk von Judäa beinah genauso viel Freude bereiten wird wie mir.«
Nein … es passt einfach zu perfekt. Ich muss es sagen.
»Du meinst, es wird deinem römischen Herrn Freude bereiten.«
Es wurde augenblicklich still in dem Saal. Balthasar sah, dass die Priester des Herodes nervöse Blicke tauschten.
Hier kommt er … Hier kommt der Faustschlag in mein anmaßendes Gesicht. Auch wenn ich bezweifle, dass hinter diesem hier so viel Kraft stecken wird wie hinter dem des Hauptmanns.
Doch Herodes brach einfach in Gelächter aus, wobei seine verrotteten Zähne zum Vorschein kamen. Erneut griff sein fauler Atem Balthasars Sinne
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