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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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erheben, die Stimme von Müttern, die um ihre Kinder weinen, weil sie nicht mehr am Leben sind.«
    »Ich habe gesagt, ES REICHT !«
    Dem Wutausbruch folgte kurzes Schweigen. Dann fuhr die raue Stimme in beiläufigerem Tonfall fort. »Wenn ich den Warnungen jedes herumschreienden Propheten in dieser Stadt Beachtung schenken würde, würde ich innerhalb einer Stunde den Verstand verlieren. Ich werde mich nicht furchtsam altem Aberglauben beugen.«
    »Wie dem auch sei, Eure Hoheit, noch nie hat es so viele Zeichen aus so vielen Prophezeiungen gegeben: der wieder aufgebaute Tempel, die neu geborenen Städte Judäas, die Menschenmengen für die Volkszählung in Jerusalem. Es fehlt nur noch ein Licht im Osten.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Soll ich zu Augustus gehen und ihm sagen, er solle sich vor einem Kind fürchten, das es vielleicht gibt, vielleicht aber auch nicht? Dass Rom seine mächtigen Heere aus Gallien und Magna Germania abziehen und stattdessen lieber die Stadt Bethlehem belagern soll? Hast du auch nur die geringste Ahnung, für was für einen Narren er mich halten würde?«
    »Die Prophezeiung ist eindeutig, Eure Hoheit. Der Messias wird sämtliche Königreiche der Welt umstürzen. Selbst Eures.«
    Es erklang ein lautes Krachen. Es klang, als sei etwas umgestoßen – beziehungsweise wohl umge treten – worden. Etwas Metallenes. Und dann ertönte da noch ein Scheppern. Balthasar tippte auf einen Tisch, von dem etliche Becher und Servierplatten gefallen waren.
    Es folgte eine Pause, die sich in die Länge zog. Balthasar ertappte ein paar judäische Soldaten beim Austausch nervöser Blicke.
    Als Herodes endlich wieder sprach, war es, um einen Befehl zu erteilen: »Schluss mit dem Gerede über Messiasse!«

Ein Schrei erhob sich in der Stadt Bethlehem und hallte durch die mithilfe von Fackeln erleuchteten Häuser des Dorfes und die Höhlen, die vor vielen Jahrtausenden in die Hügel darüber gegraben worden waren. Er war kurz und heftig, und er kam aus einem kleinen Stall an der Nordseite des kleinen Städtchens. Ein Stall, der in jeder Hinsicht gewöhnlich war – abgesehen von dem Stern, der am Himmelszelt direkt darüber erstrahlte, heller als alle anderen am östlichen Himmel. Ein Stern, der eine Stunde zuvor noch nicht dort gewesen war.
    Josef und Maria hatten das Gefühl, als hätte sie jeder Herbergsbesitzer in ganz Jerusalem abgewiesen. Jedes Haus war zum Bersten voll gewesen, jedes Zimmer vermietet, jedes Fleckchen nackter Erde in Beschlag genommen. Während Marias Wehen immer heftiger wurden und Josefs Geduldsfaden allmählich riss, hatten sie es in Jerusalem aufgegeben und die Straße in Richtung Süden nach Bethlehem genommen – wo es, wie man munkelte, immer noch ein paar Plätze für kleinere Familien gab.
    Doch Bethlehem stellte sich als genauso überfüllt heraus, und bei den ersten beiden Häusern, in denen sie nachfragten, schickte man sie fort. Der Himmel wurde immer dunkler, Maria konnte nicht länger reiten oder gehen, und Josef war so weit, dass er am liebsten die Hände gehoben und jeden einzelnen Mann in Judäa verflucht hätte. Da hatten ein alter Hirte und dessen Söhne Mitleid mit ihnen. Da das Haus des Hirten – wie sämtliche Häuser in der Gegend – wegen der Volkszählung mit Pensionsgästen und Verwandten gerammelt voll war, bot er ihnen wenigstens den ebenso gerammelt vollen Stall dahinter an. Nachdem er etwas frisches Stroh ausgebreitet, ihnen Wasser gebracht und eine kleine Öllampe aufgehängt hatte, ließ er sie allein. Die Geburt eines Kindes war eine heilige, private Angelegenheit. Kein Ort für Männer oder Fremde.
    Und da waren sie nun. Inmitten von Tiergestank. Im Schein einer einzigen Flamme. Ein angemessener Ort für die Geburt eines Königs , dachte Josef.
    In Nazareth hätten sich die Frauen des Dorfes um Maria gekümmert. Sie hätte Trost gefunden in den vertrauten Gesichtern und Stimmen und wäre von Menschen umgeben gewesen, die jahrlange Erfahrung mit dem Kinderkriegen hatten. Doch hier war sie mutterseelenallein. Ein fünfzehnjähriges Mädchen, das auf hartem Stroh und den wenigen Decken lag, die sie durch die Wüste geschleppt hatten, und sich schweißgebadet durch die schlimmsten Schmerzen presste, die es je erlitten hatte.
    Es hatte Momente – viele Momente – im Laufe der Nacht gegeben, in denen Maria überzeugt gewesen war, dass etwas nicht stimmte. Es sollte eigentlich nicht so schwer sein, so schmerzhaft. Es sollte nicht so lange

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