Die Nacht am See
…”
„Zu auffällig?” fragte Doris. „Ich verstehe. Wie wäre es damit?” Lächelnd ging sie zum nächsten Ständer und hielt ein schulterfreies purpurrotes Kleid in die Höhe. Es kostete zwölfhundert Dollar.
Jocelyn legte den Zeigefinger auf die Lippen. „Das ist, glaube ich, nicht …”
„Nicht die richtige Farbe?”
Nicht der richtige Preis! „Ja, genau.”
„Okay, ich glaube, ich weiß jetzt genau, wonach Sie suchen.” Doris ging weiter und fand ein enges, ärmelloses schwarzes Kleid. „Perfekt für ‘La Perla’.”
„Perfekt für Jocelyn”, erklärte Donovan, ging an ihr vorbei und berührte den zarten Stoff.
Jocelyn traute sich nicht, auf das Preisschild zu blicken. Das Merkwürdige war, dass auch Donovan nicht danach schaute. Diese reichen Leute … Sie schob einen Arm durch Donovans und zog ihn sacht von Doris fort. „Kann ich Sie kurz sprechen?” flüsterte sie.
„Sicher.” Sie traten hinter eine Schaufensterpuppe.
„Das ist zu viel”, flüsterte Jocelyn. „Ich kann nicht zulassen, dass Sie mir hier ein Kleid kaufen.”
„Warum nicht?” fragte er unschuldig.
„Weil es zu teuer ist. Ich kann unmöglich solch ein Geschenk akzeptieren.”
„Ehrlich, zwölfhundert ist nicht zu viel für so ein Kleid.”
Jocelyn erkannte, dass die Kluft zwischen ihnen riesengroß war. Zwölfhundert Dollar waren Kleingeld für ihn.
„Und wieso kennen Sie sich überhaupt so gut mit Preisen für Kleider aus?” fragte sie.
„Und woher kennt Doris Ihren Namen? Kommen Sie häufig her, um Ihren Freundinnen Kleider zu kaufen? All jenen, die Nachrichten auf Ihrem Anrufbeantworter hinterlassen? Die, deren Anrufe Sie nicht erwidern?
Er hob amüsiert eine Augenbraue. „Höre ich da eine Spur von Eifersucht heraus?”
„Ich bin nicht eifersüchtig. Ich finde es nur merkwürdig, dass die Verkäuferin Sie hier mit Namen kennt und …”
„Wie wäre es mit diesem Kleid?” sagte Doris und tauchte unerwartet hinter Jocelyn auf.
„Mir gefiel das andere besser”, erklärte Donovan.
Doris entfernte sich wieder, und er machte einen Schritt auf Jocelyn zu und flüsterte ihr ins Ohr: „Warum probieren Sie das schwarze Kleid nicht einfach mal an? Ich möchte Sie wirklich gern darin sehen.”
Ein heißer Schauer überlief sie. Wo war nur ihr eiserner Wille geblieben, solchen Verlockungen zu widerstehen?
„Warum?” fragte sie. „Wir gehen nicht miteinander aus. Ich bin nur für Ihre Sicherheit zuständig. Sie müssen mich nicht mit etwas herausputzen, was ich garantiert nie wieder tragen werde.”
„Sie haben selbst gesagt, dass Sie sich anpassen müssen. Dies ist angemessen für das Restaurant, in das wir gehen wollen.”
Jocelyn blickte in seine flehende Miene und erinnerte sich dann an eine der Grundregeln ihres Berufes: Der Satz „Das ist nicht mein Job” sollte weder gedacht noch ausgesprochen werden.
Es war ihre Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihr Klient sich stets sicher und wohl fühlte. Dazu gehörte es, dass sie sich auf die jeweilige Situation einstellte. Beispielsweise, indem sie einen Schirm aufspannte, wenn es anfing zu regnen, oder sicherstellte, dass sein Gepäck auf einem Flug nicht verloren ging. Wenn ihr Klient also wünschte, dass sie sich entsprechend anzog, um im Restaurant nicht unangenehm aufzufallen, dann musste sie das tun.
Seufzend zuckte sie mit den Schultern. „Okay, ich werde es anprobieren.”
„Danke”, flüsterte er nahe an ihrem Ohr, und die Schmetterlinge in ihrem Bauch begannen wieder, ihren verrückten Tanz aufzuführen.
Doris führte sie in eine große, komfortable Umkleidekabine. Neben einem Brokatsofa standen auf einem kleinen Regal drei Paar Lackschuhe für die Kundinnen.
Jocelyn kam sich vor wie in einem Film.
Sie zog das lange Kleid über, schlüpfte in eines der Schuhpaare und betrachtete sich im Spiegel.
Ungläubig starrte sie sich an. Das musste eine andere sein, die sie da im Spiegel sah. Das Kleid betonte all ihre Kurven - Kurven, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie besaß - und ließ sie sexy und glamourös aussehen wie ein Filmstar.
„Alles in Ordnung?” rief Doris von draußen. „Soll ich Ihnen noch etwas bringen?”
Langsam und etwas unbeholfen drehte Jocelyn sich um, da sie es nicht gewohnt war, auf hohen Absätzen zu gehen, und öffnete die Tür der Umkleidekabine.
Doris strahlte. „Das ist es.”
Jocelyn, die den Kopf gesenkt gehalten hatte, seit sie die Tür geöffnet hatte, sah zu Donovan. Mit
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