Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
Hände und Füße der Kreatur mit einem Gummischlauch. Als das erledigt war, trat er einen Schritt zurück und blickte auf das bleiche Wesen, das einmal ein Mensch gewesen war. Ja, er würde das jetzt tun … Er zog einen Arztkittel über, zwängte seine Hände in Gummihandschuhe und wickelte Klebeband um seine Hand- und Fußgelenke, um sie so gut wie möglich abzudichten. In einem Schrank fand er einen Gesichtsschutz, den er ebenfalls anlegte. Dann suchte er etwa ein Dutzend chirurgische Messer zusammen und sortierte sie der Größe nach auf einem Stahltablett.
Schließlich wandte er sich wieder dem Vampir zu – und sah, dass die Kreatur das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Der Kopf des strigoi zuckte hin und her, seine Hände und Füße zerrten an den Fesseln. Eph griff nach einem weiteren Stück Schlauch und band damit Taille und Hals des Vampirs am Tisch fest. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.
Dann führte er durch den Hinterkopf eine Sonde in den Hals des Vampirs ein, um die Funktionsfähigkeit des Stachels zu testen. Die Kehle der Kreatur pulsierte, und Eph konnte das Klicken des Stachels im Rachenraum hören, aber der Unterkiefer war so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass der Mechanismus versagte. Eph musste also nur auf die Blutwürmer achten – für die er eine Lumalampe bereitgelegt hatte –, ansonsten stand seinem Vorhaben nichts mehr im Wege.
Er nahm ein Skalpell und öffnete damit die Kehle des Vampirs. Schob behutsam die Haut und das darunterliegende Gewebe zur Seite und legte so den blockierten Stachel frei. Dann griff er mit einer Klemme nach der schmalen Spitze des Organs und zog es heraus. Verzweifelt versuchte der Vampir, die Kontrolle über den Stachel zu erlangen, doch er konnte nicht verhindern, dass Eph das Organ mit einem schnellen Schnitt des Silbermessers amputierte.
Der strigoi krümmte sich vor Schmerzen und gab einen nach Ammoniak stinkenden Fäkalienhaufen von sich, während ein Schwall weißen Blutes aus seinem Hals schoss.
Eph trug den noch zuckenden Stachel zum Labortisch, legte ihn dort in eine Plastikwanne und untersuchte ihn mit einer Lupe. An seinem Ende entdeckte er eine winzige Doppelspitze. Er nahm das Skalpell, schnitt das Organ der Länge nach auseinander, schälte das rosafarbene Fleisch ab und legte die beiden parallel verlaufenden Kanäle frei. Wenn ein Vampir einen Menschen stach, flossen durch einen dieser Kanäle nicht nur die infektiösen Blutwürmer, sondern auch eine Kombination von Betäubungsmitteln und Gerinnungshemmern in das Opfer – so viel wusste er bereits. Nun wurde ihm klar, dass zur selben Zeit durch den zweiten Kanal das menschliche Blut in den Stachel lief. Die strigoi saugten ihre Opfer allerdings nicht aus, wie man sich das gemeinhin vorstellte, sondern machten sich die Gesetze der Physik zunutze: Im zweiten Kanal bildete sich ein Unterdruck, der das Blut des Opfers durch den Stachel drückte – so wie Wasser den Stängel einer Pflanze hinauf floss. Und indem sie die Muskelbasis des Stachels wie einen Kolben bewegten, konnten die Vampire diesen Mechanismus noch beschleunigen … Wirklich erstaunlich, wie ein solch komplexes biologisches System aus rein endogenem Wachstum entstehen konnte.
Menschliches Blut bestand zu über fünfundneunzig Prozent aus Wasser; der Rest war eine Mischung aus Proteinen, Zucker und Mineralien – kein Fett. Winzige Blutsauger wie Mücken, Zecken und andere Arthropoden benötigten nur geringe Mengen; die ausdifferenzierten, hocheffizienten Körper der strigoi jedoch waren auf eine ständige Blutversor gung angewiesen, um nicht zu verhungern. Und weil menschliches Blut eben zum Großteil aus Wasser bestand, schieden die Vampire andauernd Exkremente aus, oft sogar noch während der Nahrungsaufnahme.
Eph erhob sich vom Labortisch und wandte sich wieder dem Vampir zu. Das säurehaltige Blut der Kreatur hatte sich inzwischen durch die Halsfessel gefressen, aber der strigoi machte keine Anstalten zu fliehen, ja, er zuckte nicht einmal mehr. Eph griff nach einem frischen Skalpell und öffnete die Brust des Vampirs, indem er vom Brustbein bis zur Hüfte ein klassisches Y beschrieb. Durch den offenstehenden Brustkorb sah er, wie sich die inneren Organe in voneinander getrennte Kammern aufgeteilt hatten. Eph hatte schon länger vermutet, dass das Virus den Verdauungstrakt vollständig umwandelte, aber bisher hatte er das Endstadium dieses Prozesses noch nie vor Augen gehabt.
Als Wissenschaftler fand er das
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