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Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)

Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)

Titel: Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Guillermo;Hogan Del Toro
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sie ein Drittel der Essensvorräte untereinander aufteilen können.
    Doch das erwies sich eher als Fluch denn als Segen.
    Nach einigen Monaten zeigte Maigny, der Ingenieur, deutliche Zeichen geistiger Demenz. Während sie zusahen, wie der blaue Planet unter ihnen hinter einer schwarzen Wolke verschwand, brabbelte er wie ein kleines Kind vor sich hin. Indem sie ihm half, bei Verstand zu bleiben, versuchte Thalia, auch ihre eigenen Sinne beisammenzuhalten. Sie war eigentlich recht zuversichtlich – bis sie eines Tages bemerkte, wie Maigny, als er sich gerade unbeobachtet fühlte, bizarre Grimassen schnitt. In der darauf folgenden Nacht tat sie nur so, als würde sie schlafen; tatsächlich ließ sie ihn nicht aus den Augen. Und sie sah, wie Maigny einen der Notfallkästen öffnete, die zwischen den Pilotensitzen verstaut waren, und eine dreiläufige Bordpistole herausholte, die von ihren Ausmaßen her eher an eine Schrotflinte erinnerte. Im abnehmbaren Schaft war zusätzlich noch eine Machete verborgen. Vor vielen Jahren war einmal eine russische Kapsel in der sibirischen Wildnis abgestürzt, und der Kosmonaut hatte sich mit Steinen und Stöcken gegen attackierende Wölfe wehren müssen, bevor ihn das Bodenpersonal endlich entdeckt hatte; seither war diese eigens konstruierte Pistole Teil der Sojus -Notfallausrüstung.
    Thalia sah, wie Maignys Hände über die Waffe glitten und die Machete herauszogen. Die Strahlen der fernen Sonne blitzten auf der Klinge. Und dann sah sie die Gier in seinen Augen.
    Sie wusste sofort, dass es nur eines gab, was sie tun konnte, um sich zu retten. Sie stellte sich weiter schlafend, während er langsam auf sie zuschwebte. Und dann …
    Nach so langer Zeit fiel es ihr immer noch schwer, daran zu denken.
    Aber manchmal sah sie Maigny noch. Abhängig von der Rotation der ISS trieb seine Leiche hin und wieder an der Hauptluke vorbei – wie ein grotesker Zeuge Jehovas, der einen Hausbesuch machte.
    Noch ein Bauch weniger, der zu füllen war. Noch eine Lunge weniger, die mit Luft versorgt werden musste. Noch mehr Zeit für sie in dieser Weltraumbüchse.
    Bring sie runter.
    »Fordere es nicht heraus«, flüsterte sie.
    Die Stimme war undeutlich, aber auf jeden Fall männlich. Und sie war vertraut – auch wenn Thalia sie nicht eindeutig zuordnen konnte.
    Es war nicht ihr Mann. Auch nicht ihr toter Vater. Aber bestimmt jemand, den sie kannte …
    Bildete sie sich das alles nur ein? War diese Stimme lediglich eine Ausgeburt ihrer Sehnsucht nach einem anderen Menschen? Nach einem Gefährten?
    Sie blickte aus dem Fenster. Blickte auf den Himmel, dessen bunte Farben im Sonnenaufgang schimmerten. Sie nannte ihn immer noch »Himmel« – obwohl es hier keinen Himmel gab. Genauso wenig wie eine »Nacht«. Hier war nur das Universum. Und das Universum war nicht schwarz; es war lichtlos; es war völlig leer. Bis auf …
    Wieder Farben. Ein Funkenflug aus Rot, ein Ausbruch an Orange am Rande ihres Sichtfeldes. Als würde sie ihre Augen ganz fest zusammenkneifen.
    Was sie jetzt auch tat. Und zusätzlich presste sie noch ihre Daumen auf die Augen. Die Abwesenheit von Licht. Die Leere in ihrem Kopf. Und wieder: Farben.
    Sie öffnete die Augen. Blaue Muster erschienen im All und verschwanden wieder. Dann grüne Muster. Dann purpurfarbene.
    Es war ein Zeichen. Ja, selbst wenn sie sich das alles nur einbildete – es war ein Zeichen.
    Nur – was sollte es bedeuten?
    Bring sie runter, mein Schatz.
    Mein Schatz? Niemand hatte sie je »mein Schatz« genannt, kein Familienmitglied, kein Lehrer, kein NASA -Ausbilder. Trotzdem freute sie sich darüber, freute sie sich über den Rat, den ihr die Stimme gab.
    »Aber wie?«, fragte sie.
    Keine Antwort. Doch während Thalia durch die Kabine schwebte, fiel ihr Blick auf den Notfallkasten zwischen den Sitzen.
    »Wirklich?«
    Sie hatte die Waffe seit dem Zwischenfall mit Maigny nicht mehr angerührt. Jetzt holte sie sie aus dem Kasten. Die Machete war weg – trieb draußen mit dem Franzosen im All. Thalia presste die Pistole gegen die Fensterscheibe. Und drückte ab.
    Klick.
    Während die Waffe vor ihr wie eine unbeantwortete Frage in der Luft schwebte, durchwühlte Thalia den Notfallkasten.
    Zwanzig normale Kugeln. Zwanzig Leuchtgeschosse. Zwanzig Schrotpatronen.
    »Sag mir, warum.« Sie wischte sich etwas Tränen aus den Augen und sah zu, wie die Tropfen durch die Kabine tanzten. »Nach all der Zeit – warum?«
    Sie war ganz still. Horchte. Bestimmt würde eine Antwort

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