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Die Nacht der Haendler

Die Nacht der Haendler

Titel: Die Nacht der Haendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Kirchenschiff umlaufenden Galerie – einst Lager- und Nachtplatz für Aberhunderte von verschwitzten, ungewaschenen, kranken Pilgern (gut vorstellbar, dass von cleveren Mönchen gegen den vermischten Gestank vom langen Jakobsweg der Weihrauchofen erfunden wurde) – drängen sich plötzlich die Terroristen des Bildersturms an der Brüstung, ziehen die Schnellfeuergewehre hervor und richten ihre kurzen Läufe auf uns. Während wir auf den fliegenden Kessel gestarrt hatten, mussten die Antimagisten eingedrungen sein, in ihren schwarzen Kutten unauffällig unter den vielen Mönchen, die auf dem Vorplatz und in der Kathedrale darauf warteten, durch die Heilige Pforte gehen zu dürfen. Auf einmal standen sie überall, wie aus den Gräbern unter dem steinernen Kirchenboden gewachsen. Sie hatten die Tore geschlossen und sich so geschickt auf Längs- und Querschiff verteilt, dass ihnen keine Bewegung entging. Dann hatten sie ihre Kapuzen in den Nacken geworfen und ihre geschlitzten Mützen übergestreift, hatten die Kapuzen wieder aufgesetzt und standen nun schweigend zwischen den Bänken und auf der Galerie als Armee schwarzgesichtiger Mönche. Einer von ihnen läuft auf das Podium zu, steigt hinauf und nähert sich, ein aufgeschlagenes Buch in den Händen, dem Priester im weißen Ornat. Bis jetzt haben die meisten von uns die schwarzen Gestalten für Figuren gehalten, die zum Ritus des schwingenden Weihrauchfasses gehörten. Im Gesicht des Pfarrers ist die Verblüffung, in den Mienen der Ministranten schon die nackte Angst zu sehen. Das aufgeschlagene Buch birgt eine Botschaft. Der Priester liest lange, nickt, blickt zur Galerie hinauf; er begreift die Aussichtslosigkeit jeder Weigerung und wendet sich sofort in spanischer, englischer, französischer und lateinischer Sprache an die Gemeinde. Nach und nach verstehen die zu Reisegruppen geordneten Nationen seine dringende Bitte, Ruhe zu bewahren. Es handele sich keineswegs um einen Überfall, niemandes Leben sei gefährdet – auch wenn er mitzuteilen gezwungen sei, dass von den Waffen auf der Galerie bei Fluchtversuchen oder Gegenwehr vermutlich Gebrauch gemacht würde. Nun erst entdecken die Eingeschlossenen, dass sie in der Höhe umzingelt sind von Antimagisten, dass sie, eben noch von dem fauchenden Ofen in den Gründen ihrer Seele aufgewühlt, nun plötzlich im Schussfeld durchaus weltlich gesonnener Fanatiker sitzen. Einige schreien, werfen sich zwischen und hinter den Bänken am Fuß der Säulen auf den Boden, suchen in den Beichtstühlen Schutz, die bald vor Überfüllung zu bersten drohen, der Geistliche bittet händeringend um Besonnenheit und wird doch selbst so von der allgemeinen Aufregung ergriffen, dass er ins Mikrophon zu rufen beginnt; seine Stimme und seine Atemstöße werden zu einem Knattern und Krachen verzerrt, das furchtsame Menschen durchaus für Schüsse oder Detonationen halten können. Er erschrickt über den von ihm veranstalteten Kriegslärm, schweigt und sammelt sich. Ruhig, eindringlich und langsam, in liturgischer Tonlage teilt er nun in den von ihm flüssig beherrschten vier Sprachen mit, dass es sich bei der Unterbrechung der Messe lediglich um eine Zwangskollekte der Antimagisten handele, und worauf diese es abgesehen hätten, wisse ja jeder. Und jeder könne dazu beitragen, dass der Schrecken ohne Opfer an Blut und Leben vorübergehen werde und wir alle nachher gemeinsam Gott und dem Papst danken könnten. Sicherheitshalber aber erteile er hiermit bereits uns allen seinen Segen. Tatsächlich kehrt mit dem Segen wunderbare Ruhe ein. Der Geistliche aber, hochroten Kopfs, sinkt plötzlich nach hinten, wird eben noch von einem Ministranten aufgefangen, mit Hilfe eines zweiten sanft auf den Boden vor dem Altartisch gebettet, man beugt sich über ihn, legt das Ohr an sein Herz, seinen Mund, schüttelt den Kopf, richtet sich auf, schlägt das Kreuz, schließt ihm die Augen. Mit dem Blick in den Himmel seiner Kirche ist er verschieden. Vielleicht auch mit dem Blick in die Mündungen der matt glänzenden Pumpguns. Da die Gemeinde sieht, dass der Hirte sich nicht erholen wird, gerät sie erneut in Unruhe. Auch die Antimagisten werden nervös. Schneller huschen sie mit ihren aufgespannten Kartoffelsäcken von Reihe zu Reihe, sammeln die Kameras ein, die Menge beruhigt sich wieder, da niemandem etwas geschieht, lautlos gehen die schwarzen Kutten ihrer Arbeit nach, und man hört außer dem zugleich dumpfen und hellen Aufprall der Geräte in den

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