Die Nacht Der Jaegerin
völlig erschöpft. Amber sah aus wie immer und versicherte sich mit einem Blick auf den großen französischen Herd, dass es niemand gewagt hatte, eine Kerze auf ihre große Herdplatte zu kleben. Matthew Hawksley wirkte irgendwie zerknautscht, und sein weißes Jackett hatte reichlich Knitterfalten. Alistair Hardy trug seinen Hochstapleranzug. Er hielt die Hände auf dem Rücken gefaltet und sah sich um, als wäre er gekommen, um den Wert der Küche zu taxieren.
Versager, dachte Jane, als sie sich auf die hohen Stühle um die Kücheninsel setzten und ihre Gesichter im Kerzenlicht schimmerten.
Niemand sagte etwas. Es sah genauso aus wie jede andere vorgetäuschte Séance, die Jane im Fernsehen gesehen hatte, aber vielleicht wollte Largo ja genau das. Das war kein seriöser Dokumentarfilm, das war billiges, idiotisches Reality- TV . Antony machte sich zwar nicht unsichtbar, aber er bewegte sich höchst unauffällig mit einer weiteren Sony-Handkamera durch den Raum. Jane bemerkte das winzige rote Licht an der zweiten Kamera auf dem Stativ. Also machte er lange Einstellungen aus zwei Blickwinkeln und ergänzte sie durch aussagekräftige Nahaufnahmen, die er mit der Handkamera drehte.
Er glitt zurück zu dem Stativ am Ende des Raums und veränderte den Aufnahmewinkel. Dann hob er einen Finger, und als er ihn wieder senkte, deutete er auf Ben.
Ben räusperte sich. «Also ... Guten Morgen. Und ich glaube, dies ist ein Morgen, an dem keiner von uns traurig sein wird ... wenn es endlich hell wird.»
Murmeln und Lächeln.
Ich filme hier garantiert nicht, verdammt
, dachte Jane.
«Aufgrund des Wetters sind wir weniger Leute als geplant, aber ich glaube, die wichtigsten Personen sind anwesend. Wir sind wohl alle sehr betroffen von dem, was heute Nacht passiert ist. Und nachdem wir überhaupt nicht wissen, wie diese Sache ausgehen wird ...», Ben sah direkt in Antonys Kamera. «Es tut mir leid, Antony, aber ich weiß nicht recht, was ich alles sagen darf. Ich weiß nicht, was vielleicht noch eine juristische Bedeutung bekommen könnte.»
«Gut.» Antony trat einen Schritt vor. «Für alle, die sich unsicher fühlen. Die Situation ist Folgende: Die Polizei hat mir gesagt, dass sie wahrscheinlich noch heute jemanden verhaften wird, wegen Mordverdachts. Die ganze Sache hier wird erst nach der Gerichtsverhandlung im Fernsehen gezeigt. Mit anderen Worten – Sie können alles sagen, was Sie sagen möchten.»
Beth Pollen sagte: «Und was hält die Polizei davon, dass wir das jetzt machen?»
Antony grinste. In dem Kerzenlicht sah er dabei aus wie ein Pirat. «Wenn ich den Ermittlungsleiter zitieren darf: ‹Ich bin mit allem einverstanden, was mir diese Spinner ein paar Stunden lang vom Hals hält.›»
Niemand lachte.
«Ich hatte den Eindruck», sagte Ben, «dass uns Mrs. Watkins Gesellschaft leisten würde. Ist das ...»
«Ich bin hier, Mr. Foley.»
Mom saß auf der Treppe wie eine Art Kobold. Jane hatte sie gar nicht bemerkt. Unwillkürlich schaltete sie ihre Kamera an.
«Super.» Matthew Hawksley stand auf, um noch einen Stuhl heranzuziehen.
«Nicht nötig», sagte Merrily. «Ich bleibe nicht. Ich meine, es ist alles sehr schön hergerichtet und so weiter, aber es tut mir leid, ich würde mich wirklich nicht wohl dabei fühlen, einen religiösen Ritus in ...», sie wedelte mit der Hand in Richtung der Kerzen, «... Titanias Boudoir abzuhalten.»
«Mir tut es auch leid», sagte Beth Pollen, «aber uns wurde der Eindruck vermittelt ...»
«Ich mache keinen Rückzieher», sagte Merrily. «Ich mache es nur nicht hier unten.»
Jane bemerkte, wie sich Alistair Hardy auf seinem Stuhl aufrichtete. Er wirkte beunruhigt.
Merrily lächelte. «Und
auch nicht
in Hattie Chancerys Zimmer. Ich ... mmh ... ich dachte, wir könnten vielleicht den Speisesaal nehmen. Wenn das für Sie in Ordnung ist. Es ist zwar ein bisschen kühl dort, aber ...»
«Mrs. Watkins ...» Antony hatte die Kamera gesenkt. «Es ist dort nicht nur, wie Sie angedeutet haben, viel zu kalt, sondern dieser Raum hat außerdem überhaupt keine Atmosphäre.»
«Es gibt immerhin ein Buntglasfenster.»
«Das, wie alle Buntglasfenster, überhaupt keine Wirkung hat, wenn es draußen
dunkel
ist.»
Merrily stand auf und zuckte mit den Schultern. «Ja, tut mir leid, aber das ist nun wirklich nicht mein Problem.»
Antony Largo runzelte wütend die Stirn. In ihrer düsteren Ecke musste Jane, trotz Natalie und Jeremy und der ganzen schrecklichen
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