Die Nacht Der Jaegerin
Ihnen da so plötzlich einfällt?»
«Teufel, nein. Manchmal ist es so daneben, dass ich mich wie ein Idiot fühle. Aber in meinem Alter hat man nicht mehr die Zeit, übervorsichtig zu sein. Und das ist zufällig auch das Wichtigste bei spirituellen Heilungen: Man muss sich Zeit nehmen, um die Menschen kennenzulernen und kleine Schlussfolgerungen aus ihren Äußerungen und ihrem Verhalten zu ziehen. Wie viele Ärzte haben denn heute noch die Zeit oder die Geduld, um das zu tun – Zeit zum Reden und Nachdenken, Zeit, um auf eine Eingebung zu warten? Nein, heute heißt es: ‹Nehmen Sie zwei von denen hier dreimal täglich›, oder: ‹Ich schicke Sie zu einem Spezialisten ... und sagen Sie doch auf dem Weg hinaus dem nächsten Patienten, dass er hereinkommen soll.› Früher wurden kleinere Leiden ohne Medikamente kuriert, weil die teuer waren und Zeit nichts kostete. Und viele Ärzte, vor allem Landärzte, hatten tiefen Einblick in das Seelenleben der Menschen. Von diesem Einblick bis zu einer Eingebung ist es nur ein kleiner Schritt, der möglicherweise mit göttlicher Unterstützung erfolgt. Können Sie mir folgen?»
«Ich denke schon.»
«Gut. Trinken wir einen Kaffee.» Jeavons quetschte sich an der Katze vorbei aus dem Sessel.
Merrily sagte: «Was war mit Ihrer Frau?»
Er hob eine Augenbraue, als hätte sie unzulässigerweise den Spieß umgedreht.
«Entschuldigung. Ich wollte nicht ...»
«Gott hat mir nicht erlaubt, sie zu heilen.» Jeavons nahm die Kaffeekanne vom Ofen. «Sie ist vor fünf Jahren gestorben, es war um die Zeit herum, in der sie mich zum Bischof machen wollten. Wenn sie überlebt hätte, wäre ich vielleicht tatsächlich Bischof geworden, und sei es nur, damit Catherine in einem Palast hätte wohnen können. Stattdessen habe ich mich mit ihnen überworfen. Ich habe gesagt: ‹Ihr kennt mich doch überhaupt nicht, ihr wollt mich nur, weil Violett und Schwarz in diesem pseudoliberalen England so gut zusammenpassen. Ich gehe lieber von hier weg. Ich will herausfinden, warum meine Frau nicht geheilt wurde.›»
«Und haben Sie es herausgefunden?»
«Vielleicht. Ha, jetzt bin ich Ihnen suspekt geworden, was? Sie halten mich für so was wie einen Schwindler, der auf dem Jahrmarkt als Schamane aus vergangenen Tagen auftritt. Wir sollten nochmal von vorne anfangen. Sagen Sie mir, was Sie wissen wollen.»
«Sie wissen, was ich will. Ich wurde von der Diözese Hereford als Beraterin für spirituelle Grenzfragen eingesetzt. Und plötzlich scheint das Wort ‹Grenzfragen› untrennbar mit dem Wort ‹Heilung› zusammenzuhängen, ganz gleich, wie ich mich drehe und wende.»
«Und das jagt Ihnen natürlich einen Schrecken ein. Weil es bedeutet, dass die Leute anfangen, Sie als Wundertäterin zu sehen.»
«Mmm.»
«Schwierig», sagte Jeavons.
«Die Namen», sagte Ben. «Denk doch mal an die Namen.»
Sie fuhren zurück in Richtung Stadt. Ben erläuterte mit neuem Elan, wie Arthur Conan Doyle seine Inspiration für den
Hund von Baskerville
aus den Ereignissen in Kington geschöpft hatte.
Und das entscheidende Argument war die bemerkenswerte Übereinstimmung der Namen.
«Die Schlüsselfiguren des Romans ... die heißen? Baskerville – und das war in dieser Gegend eine sehr bekannte Familie. Aber auch die anderen: Mortimer. Dr. Mortimer ist der Dorfarzt, der sich als Erster an Sherlock Holmes wendet. Und Mortimer – das weiß Jane bestimmt auch – ist einer der häufigsten Namen der Region. Hier lag der Hauptsitz der normannischen Freiherrensippe Mortimer. Bis heute gibt es Ortsbezeichnungen wie Mortimer’s Cross.»
Antony Largo schwieg.
«Na gut», sagte Ben, «man könnte argumentieren, dass dieser Name generell sehr verbreitet ist. Aber was ist mit Stapleton? Stapleton, der Naturforscher. Stapleton, Jane. Erzähl ihm, wo Stapleton ist.»
Jane erinnerte sich an eine Burgruine auf einem Hügel, ein Bauerngut und ein paar Cottages. «Das ist eine kleine Siedlung kurz hinter Presteigne. Direkt an der Grenze. Presteigne liegt in Wales, Stapleton in England ... gerade so.»
«Danke, Jane.» Ben nickte gutgelaunt. «Baskerville, Mortimer, Stapleton. Doyle hat die wahre Geschichte und den konkreten Ort in seinen
Hund von Baskerville
aufgenommen.»
Jane war beeindruckt, doch Antony sagte: «Und was ist dann mit der Cabell-Sippe aus Devon? Was ist mit Sir Richard Cabell, der auf seiner schwarzen Stute einem Geisterhund ins Moor gefolgt sein soll, nachdem er einen Pakt mit dem
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