Die Nacht Der Jaegerin
draußen zum Rumballern hierherbestellt hat.»
«Weil er nicht wollte, dass die Leute hier in der Gegend über ihn tratschen.»
«Aber wenn ihm wirklich Schafe gerissen wern, warum nimmt er dann nich selber das Gewehr in die Hand? Willste Tee, Janey?»
«Nein danke, ich kann nicht lange bleiben.»
«Na gut, ich trink jedenfalls einen.»
Gomer füllte den Wasserkocher.
«Gomer ...?» Jane zögerte. Gomer wandte sich zu ihr um. «Der Hund von Hergest», sagte sie.
Gomer setzte sich an den Tisch. Er lächelte sie skeptisch an. «Ich würd ja nich behaupten, dass ich niemand kenne, der ihn schon gesehen haben will, Janey. Aber reißt der Hund von Hergest auch Schafe, das is doch die eigentliche Frage.»
«Ich weiß nicht.»
«Is doch folgendermaßen: Hunde töten Schafe. Sogar Hütehunde können Schafe töten. Jedes Jahr wern haufenweise Lämmer von Hirtenhunden zerfleischt. Is manchma gar kein so großer Unterschied, ob ein Hirtenhund nach eim Schaf schnappt, damit es wieder zur Herde geht, oder ob er sich eins zum Töten rauspickt. Was ich sagen will, Janey: Wenn’s heißt, irgendson Monster vonem Geisterhund würd Schafe reißen, dann isses in Wirklichkeit wahrscheinlich ’n großer Hirtenhund – oder auch zwei –, der Blut geleckt hat.»
«Und warum fürchtet sich Sebbie Dacre dann so davor, selber mit einem Gewehr rauszugehen?»
«Hab ich gesagt, er fürchtet sich?» Gomer sah Jane mit zusammengekniffenen Augen an. «Keine Ahnung, warum sich Sebbie fürchten sollte», sagte Gomer. «Männer wie Sebbie vertraun unsereinem nich. Die Familie traut eigentlich überhaupt niemand. Und ’n besonders ängstlicher Typ isser nun grade auch nich.»
«Seine Familie ist mit den Chancerys von Stanner Hall verwandt, oder?»
«Woher hastn das, Janey?»
«Von einer Frau, die in Stanner Hall eine Konferenz gebucht hat. Eine Mrs. Pollen.»
«Aus Pembridge?» Gomer nickte. «Ich un Nev ham mal nen Klärtank für sie eingebaut.»
«Und ist Sebbie Dacre wirklich mit den Chancerys verwandt?»
«Die Welt is klein, Mädchen, nix wie Inzucht überall. Sebbies Ma war Margery Davies, die zweite Tochter von Robert und Hattie Davies – beziehungsweise Hattie Chancery. Als Stanner verkauft worden is, hat Margie das meiste Land auf der walisischen Seite und ’n bisschen Geld geerbt. Und dann hatse Richard Dacre geheiratet, nen Bauernsohn auf der
englischen
Seite. Tja, un so sinse praktisch über Nacht zu den größten Grundbesitzern weit un breit geworn. Un sie hatten nur einen Sohn, nämlich Sebbie. Und als Richard gestorm is, hat Sebbie den Bauernhof und alles Land und ’nen ziemlichen Haufen Geld geerbt. Und als Emrys Morgan gestorm war, hatter den Hof auf der anderen Talseite auch noch gekauft, und deswegen wird er Sebbie Three Farms genannt, verstehste?»
«Also ist Sebbie Dacre Hattie Chancerys Enkel. Und der Urenkel von Walter Chance, der Stanner Hall gebaut hat.»
«Genau. Hattie, die hat zwei Töchter gehabt, aber Paula, die ältere, ist weggeschickt worden. Und Paula hat den Bauernhof geerbt, der zu Stanner Hall gehörte. Der heißt
The Nant
un is langfristig an Eddie Berrows verpachtet worn, Jeremys Dad, der war nämlich der Sohn von Hatties Gutsverwalter.»
«Also gehörte Jeremys Bauernhof früher auch zum Stanner-Besitz.»
«Na ja, hat ja fast die ganze Gegend dazugehört. Un Paula is nach dem, was mit Hattie un Robert passiert is, bei der Schwester von Robert oben in Cheshire aufgewachsen. Dann hatse da oben geheiratet un sich bloß immer die Pacht zahlen lassen. Aber sie is ziemlich jung gestorm, und Richard Dacre wollte ihrm Witwer immerzu
The Nant
abkaufen, aber Paula, die hatte aus ihrer Kindheit ne Schwäche für die Berrows, un ihr Mann wusste, dass die Berrows keine Pächter von den Dacres sein wollten, weil Dacres sie vermutlich bei der ersten Gelegenheit mitm Arschtritt von
The Nant
runterbefördert hättn. Also hater mit Eddie Berrows ’nen neuen Pachtvertrag abgeschlossen – genau vor Richards Nase, wenn man so will. Und die Dacres sin vor Zorn beinah geplatzt. Damit wars natürlich für alle Ewigkeit Essig mitm Familienfrieden. Außerdem erklärt es, wieso Sebbie Dacre nichts für Jeremy übrig hat.»
«Mangel an Familienfehden herrscht in dieser Gegend wirklich nicht. Man bräuchte echt eine Fehdenlandkarte, um sich hier auszukennen.» Jane stellte sich eine Landkarte der walisischen Grenzregion vor, auf der Hassarterien die Bauernhöfe und Besitztümer verbanden, Talkessel mit
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