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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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freiwillig, oder man bediente sich selbst. Da in diesem Haus – so wenig Bordell wie Kloster – laute Töne verpönt waren, benutzte man Alkohol ohnedies nur, um seine Sinnlichkeit leicht anzufeuchten. Erlaubt war, was gefiel, und es gefiel das Unerlaubte.
    Man kam hierher, um etwas zu erleben oder um sich zu versagen. Der Klub lebte davon, daß sich Fantasie und Wirklichkeit überschnitten. Die Konversation an der Bar war dreisprachig. Man unterhielt sich mit der bekannten Star-Architektin über den neuesten Golfschläger, ganz fachlich, und malte sich dabei aus, daß die Dame mit dem präzisen Französisch in wenigen Minuten schon irgendwo nebenan zu einer fleischfressenden Pflanze werden könnte, die noch dazu Zoten ausspuckte, um eine Stunde später den Sündenpfuhl ladylike wieder zu verlassen.
    Gelegenheit macht Liebe. Der Privatklub bot sie reichlich. Es war wie eine Diplomatenjagd in einem Wildpark. Männliche und weibliche Teilnehmer waren gleichberechtigt; jeder hatte sein Gewehr – keiner die Gewähr –, und jede Kugel trifft ja nicht, auch wenn man mit Schrot schießt.
    Kurz vor 23 Uhr stieß Konopka auf das Wild, das vielleicht ihn jagen würde:
    An der Bar, schräg gegenüber, saß eine Dreißigerin mit grüngrauen Augen und weichen Lippen, die männliche Aufmerksamkeit provozierte und mißachtete, Männer durchblickend, als wären sie aus Glas. Eingeweihte wußten, daß sie längst nicht so unnahbar war, wie sie sich gab, was nichts daran änderte, daß ihnen etwas einfallen mußte, wenn sie sich ihr nähern wollten.
    Konopka sah aus wie ein Mann, der sich gerade das Angriffskonzept zurechtlegte.
    »Verehrtester«, raunte ihm ein geschniegelter Bursche belustigt zu, der neben ihm saß und von allen Emil genannt wurde. »Bei dieser Dame werden auch Sie sich eine Abfuhr holen.«
    »Möglich«, erwiderte der urbane Spitzenfunktionär und nahm mit den Augen Maß.
    Dann wechselte er den Platz, setzte sich neben die Dreißigerin und nahm das alte Spiel auf: Adams Begehren – Evas Verwehren.
    »Sie gefallen mir«, sagte Konopka.
    »Danke«, erwiderte sie mit einem leichten französischen Akzent. »Zum Glück gefalle ich nicht nur Ihnen.«
    Die Umsitzenden lachten.
    »Sind Sie Französin?« versuchte er das Gespräch in Gang zu halten.
    »Keine Fragen«, entgegnete sie. »Nicht an diesem Ort.«
    »Ich würde Ihnen gerne Berlin zeigen«, sagte Konopka. »Ich bin nur leider sehr in Zeitdruck.«
    »Ich heiße Madeleine«, erwiderte sie, »und ich hasse Männer, die es eilig haben. Hast ist mir überhaupt zuwider. Aber falls Ihnen etwas Neues einfällt«, sie lächelte spöttisch, »bon, ich gebe Ihnen fünf Minuten Zeit, Monsieur.«
    Konopka stand auf.
    Madeleine zögerte, nahm dann vorsichtig ihre übereinandergeschlagenen Beine vom Hocker, hängte sich bei ihm ein. Unter beifälligen und eifersüchtigen Blicken gingen beide die freitragende Treppe hinauf, die zu den intimeren Räumen führte.
    Eine Tür stand offen; der Mann aus dem Osten bewertete es offensichtlich als Einladung. Er schaltete das Radio ein, wiewohl es sicher in diesem Haus so wenig Zuhörer gab wie Zuschauer. Auch in verfänglicher Situation blieb er der blendende Vertreter eines miesen Gewerbes. Er spielte die Szene durch wie vor vollem Haus, stand einen Moment verlegen vor der frivol-schönen Madeleine, betrachtete die Couch.
    Sie war breit und weich, nah und einladend.
    »Sie gefallen mir«, sagte Konopka.
    »Erste Wiederholung«, spottete sie. »Geht alles ab von Ihrer Zeit. Bin nur gespannt, wie Sie das in vier Minuten schaffen wollen.«
    Seine Hände schossen vor; er riß sie an sich.
    »Nicht mit Brutalität«, girrte sie.
    Er streichelte Madeleines Schläfen, seine Lippen suchten ihren Mund.
    »Und nicht auf die Pennälertour«, fuhr sie fort, als er sie wieder losließ.
    Konopka wurde wütend und schlitzte das geschlitzte Kleid noch weiter auf.
    »Und nackt ist's ein Proleten-Sport«, konterte Madeleine. »Sie haben noch zwei Minuten, Bester.«
    »Verzichte«, erwiderte Konopka in der typischen Reaktion des Mannes, dem der Abend verdorben worden war.
    Aber der lebende Briefkasten hatte das Tonband und würde es genauso perfekt weiterbefördern, wie er es übernommen hatte.
    Konopka nahm die Blamage auf sich, allein die Treppe herunterzukommen, und übersah die grinsenden Gesichter. Er ging auf den Ausgang zu, und Allerwelts-Emil, ein Mann vom Bundesnachrichtendienst, registrierte, daß der Diplomat von drüben nur sechs

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