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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Kopf in die Wirklichkeit einzusteigen, und so hieß es, die tumbe Haut wieder taub zu machen.
    Vanessa war eine Illusion gewesen, eine Seifenblase, ein Security-check, bei dem ich verdammt schlecht abgeschnitten hatte, mehr männlich als dienstlich betrachtet. Ich konnte der Engländerin nicht einmal gram sein, daß sie mich im Auftrag unserer honetten Liga genauso ausgehorcht hatte, wie ich zuvor schon viele andere, auf die ich angesetzt war.
    Vanessa hatte mich noch nie gesehen, kein Wort mit mir gesprochen, bevor sie in wirklich gekonnter Weise auftragsgemäß meine Bekanntschaft machte, unauffällig, nur ein klein wenig exponiert. Der Tor, der aus der Deckung trat, war ich gewesen, nicht sie.
    Es fehlte noch, daß ich begänne, eine Frau zu verteidigen, die sich an meinen Gefühlen vergriffen hatte. Was heißt schon Gefühle, wies ich mich zurecht: Sommer, Sonne, Exotik. Der sanfte Schlag der Wellen. Der Strand im Silberlicht und die mitternachtsblaue Erwartung von Bali – wer hier nicht zum Romantiker wird, mußte wohl blind, taub, gefühllos, unmusikalisch sein und dazu noch ein Eunuch.
    In einem Akt der Selbsterforschung ging ich die Tage und Stunden, Worte und Liebkosungen noch einmal durch und landete immer wieder bei ihrem Zögern auf meine Bitte, in Bali meine Rückkehr abzuwarten. Diese wenigen Sekunden sprachen für sie und zeigten mir zumindest, daß es Vanessa nicht leichtgefallen sein konnte, mich zu belügen. Mir fiel es offensichtlich auch nicht leicht, eine Niederlage einzugestehen. Vanessa war nicht Romeos Julia, sondern eher eine Judith, die dem feindlichen Kriegsherrn auf dem Liebeslager den Kopf abgeschlagen hatte.
    Ich war nicht Holofernes, mein Kopf saß noch fest, aber meine Gedanken flatterten durcheinander wie geköpfte Hühner. Mit einer Art grimmiger Befriedigung stellte ich fest, daß mein jahrelanges Berufstraining, Empfindungen auszuknipsen wie elektrisches Licht, bei Vanessa offensichtlich versagte.
    Es war jetzt sechs Uhr. Ich bin ein Morgenmensch und um diese Stunde besonders ansprechbar. Endlich müßte der Spuk enden, aber da irrte ich, denn ich ertappte mich wieder bei der Frage, ob Vanessa eine gute Laiendarstellerin sein konnte. Ich kochte mir einen starken Kaffee und kämpfte gegen die Versuchung, noch vor Dienstantritt PYTHIA aufzusuchen, wie wir im Wald von Langley die vielbegehrte Dame nannten.
    Sie war nicht aus Fleisch und Blut, sondern bestand aus Drähten und Sicherungen, Transistoren und Mikroprozessoren. Sie hatte auch nichts mit dem Orakel von Delphi zu tun; sie war beinahe eine Alleswisserin. Ein kleines Heer von Programmierern stand in ihren Diensten und war gehalten, noch am gleichen Tag die im Headquarter aus aller Welt eingehenden Informationen auf Magnetband zu speichern und nachzutragen. Die Programme, im Fach-Chinesisch Software genannt, stellten geballtes Wissen rund um den Globus dar und konnten in Sekundenschnelle ebenso feststellen, wieviel Mega-Tote eine sowjetische SS-II-Rakete bei einem Einschlag auf Bonn, Paris oder London produzieren würde, welche Politiker in einer harmonischen Ehe lebten und welche heimlich ins Bordell gingen, welche Positionen sie beim Liebesspiel bevorzugten und ob sie mehr für blonde, rote oder schwarzhaarige Partnerinnen waren; ob sie Tiere liebten, an Bluthochdruck litten und ob sie in ihrer Jugend die Röteln gehabt hatten, die politischen. Das Wesentliche stand neben dem Unwesentlichen; Nebensächlichkeiten gebärdeten sich größenwahnsinnig, und wenn man es wissen wollte, konnte man auch in wenigen Sekunden feststellen, mit wem und wie lange sich die streunende Gattin des kanadischen Premierministers zuletzt verlustiert hatte.
    Der Computer war dabei, den Menschen zu seinem Spielzeug zu machen; der Zauberlehrling hatte sich längst über seinen Schöpfer erhoben und begonnen, ihn zu manipulieren. Es war kein Zufall, daß in fast allen Ländern der Erde die Geheimdienste die ersten gewesen waren, die eine elektronische Datenbank angelegt hatten. Der Mensch, das Ebenbild Gottes, bestand nicht mehr aus Leib und Seele, sondern aus Chips und Bits, der Recheneinheit seelenloser Roboter.
    Natürlich war PYTHIA streng bewacht und nicht jedem zugänglich. Selbst wer Zutritt zu ihr hatte, konnte nicht alles von ihr erfahren, was sie wußte. Wer sie konsultieren durfte, hatte ein persönliches Code-Wort zu nennen; es enthielt automatisch die Sicherheits-Kategorie, in die Abfrager eingeteilt waren.
    Es gab fünf, deren erste nur

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