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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Minuten mit der pikanten Dame allein gewesen war.
    Bevor er noch ausgetrunken hatte, kam auch Madeleine zurück, offensichtlich nicht darauf erpicht, den Abend hier zu verlängern. Sie zeigte schnippische Lippen und zornige Augen, wohl verärgert, einem Tölpel aufgesessen zu sein. Wenn man genau hinsah, konnte man selbst im Dämmerlicht erkennen, daß sich ein Banause an ihrem schicken Kleid vergriffen haben mußte.
    Madeleine ging nach draußen und wartete, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie kletterte in einen VW-Golf und fuhr nach Charlottenburg. Sie sah sich um, ohne zu bemerken, daß Everybody's Darling, der Mann, den alle Emil nannten, ihr in einem Opel folgte.
    Die Frau mit dem französischen Akzent ließ den Wagen am Kudamm stehen und ging zum Kempinski weiter. Emil wartete, bis sie das Hotel betreten hatte. Dann ging er zum Portier, blinzelte ihm zu, nahm ihn zur Seite und schob ihm einen Zwanzigmarkschein zu: »Schicke Gäste wohnen in Ihrem Haus«, bemerkte er. »Die Dame, zum Beispiel, die gerade …«
    »Eine Schweizerin«, erwiderte der Mann mit den gekreuzten Schlüsseln am Kragenspiegel. »Madeleine Dressler, Zimmer 37. Sie ist zum erstenmal bei uns abgestiegen.«
    »Allein?« fragte Emil reichlich plump.
    »Solche Fragen stellt man nicht, mein Herr«, entgegnete der Portier und wirkte wie ein Mann, den weiteres Trinkgeld nicht ansprechbar machen würde.
    34 Minuten später wählte ein Grenzpolizist am Checkpoint Charly eine sechsstellige Nummer und meldete, daß Max Konopka um null Uhr 59 zu Fuß nach Ostberlin, in den Arbeiter und Bauernstaat, zurückgekehrt sei, in dem es – wie die Bewohner spötteln – die höchsten Bäume der Welt gibt, da sie alle in den Himmel wachsen.

5
    Gregory behielt natürlich wieder einmal recht: Nach meinem Sturz aus den Wolken waren ein paar Stunden Schlaf für mich vorderhand das wichtigste. Ich war darauf trainiert, Gedanken abzuschalten und sofort hinüberzudämmern und mit möglichst wenig Zeitaufwand rasche Erholung zu finden. Ich hatte die Kopfuhr so eingestellt, daß ich spätestens um fünf Uhr erwachen würde. Es war dann in Pullach eine Stunde vor Mitternacht, genau die richtige Zeit, um mit Steve ein privat-dienstliches Gespräch ohne Zuhörer zu führen.
    Es ging reibungslos, ich kam sofort durch.
    »Ich habe auf deinen Anruf gewartet, Lefty«, sagte Steve, seine Stimme klang frisch und so nahe, als käme sie aus dem Nachbarhaus. »Ich hätte dich gerne hier – bei der Lösung einer ganz speziellen Denksportaufgabe.« Er zögerte kurz. »Aber ich weiß auch, daß du deine Koffer bei uns eigentlich schon gepackt hast«, schränkte er ein.
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte ich. »In diesen Dingen habe ich ja schließlich Übung.« Nach kurzer Pause fragte ich: »Die Operation, die du leitest, geht also weiter?«
    »Ich leite sie noch nicht«, erwiderte er lachend. »Aber die zweite Runde hat schon begonnen.«
    Die Innendienstler des Headquarters in Langley sahen in Steve Cassidy bereits übereinstimmend den Nachfolger des großen Gregory, aber wie ich den CIA-Vice kannte, würde er wohl noch mit achtzig an seinem Schreibtisch sitzen und seine Leute mit der abgedroschenen Spionageweisheit traktieren, daß die Achillesferse bei einem Mann an einer ganz anderen Stelle sitzt. »Ich halte die neuste Entwicklung noch unter Verschluß«, sagte Steve. »Es läuft alles gut, aber es wächst mir über den Kopf.«
    Wir konnten offen miteinander sprechen; der Anruf lief über Verzerrer. Wer das Telefongespräch abhörte, vernahm nur einen ungenießbaren Silbensalat.
    »Bali ist sicher schöner«, fuhr Steve fort, »aber hier ist es interessanter und inzwischen genauso heiß, wenn nicht noch heißer. Was immer du über diesen Fall gehört hast, ist eine Untertreibung, Lefty«, stellte Steve fest, sonst ein Mann des Understatements.
    »Gut«, entgegnete ich. »Ich komme so rasch wie möglich.« Wahrscheinlich war es gar kein freier Entschluß, den ich wiedergab. Ich hatte kaum eine andere Wahl und konnte Steve natürlich nicht büßen lassen, was Gregory an mir verbrochen hatte.
    Ich stellte mich unter die Brause. Das kalte Wasser schnitt in meine Haut, die vor ein paar Stunden noch Vanessa hörig gewesen war, so sehr, daß ich bei jeder Erinnerung an sie ihre Hände auf meinem Körper gespürt hatte – schöne, langgliedrige, zärtliche Hände. Aber ich war auch darauf gedrillt, hinderliche Impressionen abzuschütteln, um mit klarem

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