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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Uniformierte: Konopka steht auf der Liste der 97, bei denen Maßnahme A (Anruf) auszulösen ist.
    Verlegenheit im Ost-West-Verkehr überspielt man am besten mit Höflichkeit: »Guten Abend, Herr Konopka«, begrüßte ihn der Polizist und reichte den Ausweis zurück. »Sie kommen zu Fuß?«
    »Wie Sie sehen«, erwiderte der Mann von drüben und setzte dann humorig hinzu: »Bei euch im Westen wird man ja immer zum Trinken genötigt.«
    »Dann Prost, Herr Konopka!« ging der Polizeibeamte auf den Ton ein. »Brauchen Sie ein Taxi?«
    »Vielen Dank«, versetzte der Besucher. »Ich kenn mich hier aus.«
    Der Polizist sah ihm nach, bis die Dunkelheit seine Konturen geschluckt hatte, ging ans Telefon, wählte sechs Ziffern hintereinander. Eine Geheimnummer. Vermutlich eine Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes, genau wußte er es selbst nicht. Es war weder üblich, solcherlei Fragen zu stellen, noch sie zu beantworten. Der Anrufer nannte Standort und Namen und setzte dann hinzu: »Max Konopka, er hat um 21 Uhr 58 den Kontrollpunkt passiert.«
    »Mit dem Wagen?«
    »Nein, zu Fuß«, antwortete der Grenzbeamte.
    »Vielen Dank«, schloß die Stimme am anderen Ende und klang nicht mehr schläfrig.
    Obwohl Konopka gewohnt war, sich anzupassen, sah er nicht aus wie einer, der nach Kreuzberg gehört. Er ging gemächlich, ein Herr über Zeit und Geld, der offensichtlich im falschen Stadtteil sein Abenteuer pflücken wollte. Er ließ den Taxistand links liegen und schlenderte weiter. Er sicherte vorsichtig nach allen Seiten, aber es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sie ihm Schatten anhängten. Sicher hatte der Grenzbeamte inzwischen einen der vielen westlichen Geheimdienste angerufen, die mehr oder weniger nach dem Schema arbeiteten: getrennt marschieren, gemeinsam schlafen.
    Er hörte den Omnibus heranrollen, drehte sich nicht nach ihm um, ging langsam weiter und ließ durch nichts erkennen, daß er im letzten Moment noch aufspringen würde. Das zweistöckige Ungetüm war schon im Anfahren. Der Fahrer öffnete noch einmal die Tür, und der garantiert letzte Fahrgast mogelte sich hinein. Die erste Station war geschafft – die primitivsten Methoden sind in diesem Metier häufig die besten.
    Er fuhr vier Haltestellen weit in die Gegenrichtung seines Ziels. Scheinbar zerstreut, wie er eingestiegen war, verließ er wieder den Bus. So konnte er sicher sein, daß nach ihm auch kein Fahrgast ausgestiegen war.
    Es war ein erstaunlicher Aufwand für einen Mann, der ernsthaft weder westliche noch östliche Verfolger zu fürchten hatte. Konopka, Nutznießer eines Diplomatenpasses war einfach gewohnt, seine Wege zu verschlüsseln. Erstens haßte er Pfusch, und verschlungene Pfade reizten ihn ohnedies; er empfand dabei die diebische Freude des Ehemanns, der Frau und Freundin zugleich hintergeht.
    Wenn ihn trotz aller Vorsicht volksdemokratische oder kapitalistische Schnüffler bis zum Blauen Haus verfolgen sollten, gäbe es keine plausiblere Erklärung für einen Besuch in Westberlin als diese Grunewaldvilla. Für wenige Eingeweihte war es ein Klub, der an Diskretion, Exklusivität und Frivolität nicht zu schlagen war. Hier gab es keine Erotik als Eintagsmenü, sondern Sex à la carte. Keinen Hausfrauenstrich und keine Schülerinnenkuppelei. Man zahlte mit Verschwiegenheit und brachte gewissermaßen sich selbst als Eintrittsgeld mit. Die Erotik wurde im Blauen Haus wieder auf ihren Ursprung zurückgebracht und verfeinert. Für alle Teilnehmer der gewagten Spiele war sie wieder Selbstzweck und nicht Geschäftsbasis – eine Nostalgie der Sinnlichkeit.
    Im Osten wie im Westen galt Konopka als Ausnahmeerscheinung. Seine Manieren machten seinen BRD-Gegenspielern den Umgang mit ihm leicht, noch dazu, da der Spitzenmann des DDR-Ministeriums für Außenwirtschaft und ›volkseigene Casanova‹ eine Schlüsselfigur war, die bei Laune gehalten werden sollte. Mit Sicherheit kam bei den Verhandlungen um den Freikauf kein Häftling in DDR-Gewahrsam auf die Transferliste, wenn es der stets im Hintergrund agierende Konopka nicht wollte.
    Der Osten ließ seinem Paradiesvogel ziemliche Ungewöhnlichkeiten durchgehen, da er schließlich die Ost-Mark durch westliche Devisen aufwertete und einer der wenigen war, die hinter die Kulissen der BRD-Industrie sehen konnten. Man wußte, daß er sich unter vier Augen mit General Lupus duzte. Es war aber auch bekannt geworden – und ungerügt geblieben –, daß der Spionage- und Handelsspezialist im

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