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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hatten sehr bald ihre Chance erkannt, ihre Gegenspieler auszuhorchen und zu unterwandern. Sie schleusten Spitzel in die Fluchthelferfirmen ein und ließen kleine Fische davonschwimmen, um die großen zu fangen. Schon in der Tunnelzeit war es ihnen gelungen, erstklassige Agenten unter verzweifelte Flüchtlinge zu schmuggeln. Unverdächtiger als ein Mensch in Not, der im Osten alles zurückläßt und unter Lebensgefahr im Feuerhagel durch die Fluchtröhre hetzt, kann wohl keiner wirken, so bot man ihm im Westen bereitwillig die Hand – und brachte ihn an seinen Zielort.
    Als die ersten Fälle bekannt wurden, begünstigte ein weiterer Nebeneffekt die Menschenjäger der Normannenstraße: DDR-Bürger auf der Flucht mußten sich jetzt auch noch dem Verdacht aussetzen, Sendlinge aus dem Osten zu sein.
    Tücke und Infamie gehören zu den Spielregeln des deutschdeutschen Kriegs im Frieden. Beide Seiten kochten mit dem gleichen Schmutzwasser, an einem Tag erfolgreich, am nächsten schon wieder hereingelegt. Wenn eine Fluchtfirma auf die Dauer besser abschnitt als die Konkurrenz, geriet sie automatisch in Verdacht, vom DDR-Staatssicherheitsdienst protegiert zu sein. So betrachtet, war die TRASCO AG schon seit langem suspekt, aber Mauro Dressler konnte nachweisen, daß er mit professionellen Männern, mit üppigeren Mitteln, mit größerer Sorgfalt, mit raffinierteren Einfällen und mit erheblich größerem technischen Aufwand arbeitete als seine Konkurrenz.
    Es erklärte vieles, aber nicht alles.
    Zwar war Dressler ein Prahlhans, aber wie kam er – ein Mann, für dessen Winkelzüge Verschwiegenheit so notwendig war wie für einen Fisch das Wasser – dazu, gewissermaßen seinen geheimen Geschäftsbericht an einen amerikanischen Journalisten zu verkaufen? Arbeitete Erwin Forbach, der den ersten Hinweis auf die Affäre Sperber gegeben hatte, mit oder ohne Wissen Dresslers auch für die BND-Zentrale in Pullach? Hatte Dresslers Geschiedene, mit der er geschäftlich nach wie vor liiert war, bei einem Tête-à-tête in Berlins Blauem Haus vom Genossen Konopka tatsächlich subversives Material übernommen und weitergegeben? Falls ja: Wußte Dressler von diesen Machenschaften Madeleines, oder kochte sie ihre eigene Giftsuppe?
    Die 747 hatte den Atlantik überquert und näherte sich dem Kanal. Der Flug von Westen nach Osten hatte mich wieder einmal um sechs Stunden Schlaf gebracht, aber das wäre das wenigste. Die Stewardeß brachte das Frühstück; ich sah auf die Uhr.
    »Wir werden voraussichtlich pünktlich auf dem Rhein-Main-Flughafen landen«, sagte sie mit einem Lächeln für jedermann.
    Sie behielt recht; ich stieg in eine Lufthansa-Maschine zum Weiterflug um und landete wiederum flugplanmäßig in München-Riem.
    Ein Mann, den ich nicht kannte, nahm mich in Empfang und schleuste mich an Zoll und Einreisekontrolle vorbei zu einem Lieferwagen; er sah sich um, öffnete höflich die Tür, und ich stieg zu.
    Der Mann, der hier auf mich wartete, war mir wohlbekannt: Steve.
    »Schöner Urlaub, was?« begrüßte er mich mit einem Grinsen. »Müde?«
    »Nicht die Bohne«, erwiderte ich.
    »Um so besser«, sagte er und lächelte, mehr mit den Schneidezähnen.
    In Stichworten gab mit Steve schon während der Fahrt einen Zwischenbericht über den Stand der Ermittlungen, sachlich, exakt, kein Wort zuviel, kein Fact zu wenig. »Am besten fliegst du gleich nach Zürich«, sagte er am Schluß, »und siehst dir Madeleine Dressler an, bevor ihr Ex-Mann zurückkommt.«
    »Wo ist er zur Zeit?«
    »Unter Kontrolle«, erwiderte Steve. »Wir haben einen V-Mann auf ihn angesetzt.«
    Wie ich Freund Cassidy kannte, war dieser V-Mann eine V-Frau.

8
    Spitzenpolitiker sind in der Bonner Wochenendszene rar wie weiße Elefanten, weil sie in den entlegensten Orten – sei es in Hintertupfing, Ratzenried oder Winsen an der Luhe – Versammlungen abhalten müssen. Irgendwo herrscht in der Bundesrepublik immer Wahlkampf. Jedenfalls dauert es fast 90 Minuten, bis der Chef des Bundeskanzleramts den Außenminister vom Rednerpult in einem namenlosen Nest wegholen und ihm mit aller Vorsicht telefonisch beibringen konnte, daß seine Anwesenheit in Bonn – nicht zuletzt in seinem Interesse – dringend geboten sei.
    Der BND-Präsident hatte nach einigem Zögern die Verbindung hergestellt und der Staatssekretär im Bundeskanzleramt darum gebeten, daß Ressortchef Ritter und sein US-Berater Steve Cassidy dem AA-Chef den Fall selbst vortrügen, und so hielten

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