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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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sich die beiden Samstag früh in der Bundeshauptstadt auf, die nach dem Bonmot eines US-Diplomaten ›halb so groß wie der Zentralfriedhof von Chicago ist, jedoch doppelt so tot!‹
    Der Mann mit dem Decknamen Sperber hatte sich bisher nicht wieder gemeldet, aber soeben war Laqueur, einer der wichtigsten Männer der Spionage-Fabrik in der Normannenstraße, in das Ministerium für Äußeres strafversetzt worden. Es war durchgesickert, daß er – wegen Fahrlässigkeit – als Sündenbock für die Verratsfälle der letzten Zeit geradezustehen hätte. Das mochte stimmen, konnte aber genausogut eine der zahlreichen Finten des Stasi-Generals Lupus sein.
    BND-Mann Ritter dachte zunächst an das Praktische und stellte fest: »In jedem Fall müssen wir davon ausgehen, daß der abgesessene Herrenreiter nunmehr auch über einen Diplomatenpaß und die entsprechende Immunität verfügt.«
    »Und deshalb risikolos im Westen als Sperber auftreten könnte. Es würde mich nicht wundern, wenn sich der Hugenottensproß demnächst in Pullach bei Ihnen meldet«, erwiderte der Amerikaner mit einem faunischen Grinsen.
    Sie fuhren an einem der scheußlichen Zementsilos vorbei, in deren Waben die Menschen dichtgedrängt zusammen lebten und in denen doch die Einsamkeit zu Hause ist. Bonn, die Stadt mit dem größten Frauenüberschuß der Bundesrepublik. Gelegentlich und meist zwecklos versuchten Touristen auf Besichtigungstour eine dankbare Eroberung zu machen – gezielter und erfolgreicher verliefen die Bemühungen von Ost-Agenten, die systematisch auf alternde Sekretärinnen angesetzt wurden. Mitunter kam es sogar zur Eheschließung und nach der Enttarnung der Polit-Heiratsschwindler auch zum Selbstmord.
    Ritter und Cassidy fuhren durch die Adenauer-Allee, bogen zum Kolossalgebäude des Auswärtigen Amtes ein, und der Ressortchef aus Pullach bewies, daß er hier in Gunst stand: Sie durften den Schnell-Lift benutzen, hausintern ›Bonzenheber‹ genannt, während die anderen sich vom Paternoster, sprich ›Proletenbagger‹, langsam hochhieven ließen.
    Der Außenminister ließ den Stimmenfang sein und kam im Hubschrauber. Unbemerkt von der Presse landete er in Bonn-Hangelar und wurde in einem bescheidenen, unauffälligen Wagen zu seinem Amtssitz gefahren. Er wirkte wie ein Mann, der sichtlich bestrebt ist, sich weder Hast noch Bestürzung anmerken zu lassen. Er hatte das Gesicht eines Pokerspielers; schließlich war er ja auch Berufspolitiker.
    »Der Ritter ohne Furcht und Tadel«, begrüßte er den BND-Ressortchef. Mit einem zweideutigen Lächeln setzte er hinzu: »Freut mich, Sie zu sehen. Aber ich hätte Sie lieber in Pullach als in Bonn, denn wenn Sie hier auftauchen gibt es immer Stunk, Trouble, Zores.«
    Der hohe Politiker war bei seinem Amtsantritt seiner mangelnden Sprachkenntnisse wegen von einem Karikaturisten mit den Worten persifliert worden: ›Nix englisch, nix französisch – ich deitsches Außenminister.‹ Es hörte sich an, als wollte der Minister beweisen, wie polyglott er inzwischen geworden war. Tatsächlich hatte er sprachlich eine Menge dazugelernt und machte als AA-Chef eine bessere Figur, als es seine Gegner erwartet hatten.
    »Mister Cassidy von Agency«, stellte Ritter seinen Begleiter vor. »Wir arbeiten für die Dauer dieses Falles eng zusammen.«
    »Welchen Falles?« fragte der Politiker, als wüßte er es nicht.
    Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine verdickten Augenlider schoben sich nach unten. Es sah aus, als würden Jalousien vor den Pupillen herabgelassen.
    »Am letzten Mittwoch haben der Bundeskanzler und Sie in streng vertraulicher Sitzung den Rahmen für die Swing-Verhandlungen abgesteckt.«
    »Das stimmt«, bestätigte der Minister, ein wendiger Mann, der wie ein Phlegmatiker wirkte.
    »Sie haben sich auf eine, sagen wir mal kosmetische Korrektur geeinigt. 600 Millionen Überziehungskredit Maximum, jährlich kündbar und …«
    »Woher wissen Sie das?« fuhr der Minister auf.
    »Aus der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg«, entgegnete der BND-Mann im Rang eins Ministerialrats. »Auf Umwegen natürlich.«
    »Also wieder eine undichte Stelle?«
    »Wieder«, bestätigte Ritter trocken. »Und auch wieder dieselbe. Aber diesmal können wir den Kreis einengen, dem der Verräter angehören muß: Fünf Personen, alle beschäftigt bei der AA-Mission in Ostberlin.«
    »Entsetzlich«, erwidert der Minister. »Wenn wir diese Sache nicht stoppen, schwimmt unsere ganze Ostpolitik den Rhein hinab

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