Die Nacht der Schakale
rissen Schubladen heraus und warfen die Korrespondenz durcheinander.
»Ultimo avvertinmento!« rief einer. »Saluti di Fabrizzio!« Das hieß wohl soviel wie die letzte Warnung von einem gewissen Fabrizzio.
Eine Panne für eine so feine Firma, aber mit den Dingen, derentwegen ich gekommen war, hatte sie vermutlich nichts zu tun. Wir wußten ja, daß sich die TRASCO auch mit Devisenschmuggel befaßte und Mafia-Verbindungen hatte.
Es schien ein Mißverständnis gegeben zu haben.
Madeleine Dressler erschien endlich: ohne Begleitung. Sie sah das Durcheinander, unterbrach die lamentierenden Erklärungen ihrer Angestellten. »Verständigen Sie lieber die Polizei!« ordnete sie an. »Bitte kommen Sie, Monsieur Singer«, forderte sie mich auf und ging in ihr Office voraus. »Ich weiß, Sie kommen für Mr. Barry Wallner«, setzte sie hinzu. »Aber das ist eine Geschichte, die sie mit meinem Mann persönlich erledigen sollten.«
»Ich denke, Sie vertreten ihn«, erwiderte ich.
»Nicht in dieser Sache«, antwortete Madeleine höflich, aber abweisend.
»Und wie erreiche ich Ihren Mann?«
»In Frankfurt oder Berlin«, erwiderte sie. »Falls es so eilig ist!« Sie schrieb mir zwei Telefonnummern auf, schob mir den Zettel über den Tisch und verabschiedete mich; in der Tür traf ich mit zwei Polizisten zusammen, die mich mißtrauisch anstarrten und widerwillig ziehen ließen.
Ich rief die Außenstelle der Agency an, nannte meinen Codenamen und bat um eine Beschattung Forbachs rund um die Uhr, wiewohl ich ziemlich genau wußte, wo und wie der die Nacht verbringen würde.
Dann ließ ich Steve meine Ankunftszeit wissen.
Von Zürich-Kloten flog ich nach München-Riem ab, wurde abgeholt und in ein vorbereitetes Quartier gebracht. Bis zu Stevens Eintreffen hatte ich Zeit, meine Wunschliste zusammenzustellen: Erstens bat ich um Überprüfung aller früheren DDR-Bürger, denen der Mehrzweck-Agent zur Flucht in den Westen verholfen hatte, denn es war nicht mehr auszuschließen, daß man mit ihnen DDR-Agenten eingeschleust hatte.
Ich sah mir die Transferlisten der Rechtsanwälte Vogel und Stange an und stellte fest, daß – wie bisher – die Freilassung der sieben in ostdeutschen Haftanstalten verwahrten Häftlinge, die für Mauro Dressler gearbeitet hatten, abgelehnt worden war. Zunächst gab es immer ein Hin und Her. Wenn aber der westliche Anwalt auf der Freilassung eines bestimmten Verurteilten hartnäckig bestand, kam es mitunter zu einem Arrangement durch Preiserhöhung. Es schien mir wichtig zu sein, von den aufgeflogenen Fluchthelfern zu erfahren, warum sie aufgeflogen waren.
Irgendwie vermutete ich eine Zusammenarbeit zwischen Stasi- und TRASCO-Agenten.
Steve Cassidy kam aus Bonn, wo er Ressortchef Ritter als Stallwache im Außenministerium zurückgelassen hatte. Wir brachten unser gegenseitiges Wissen auf den neusten Stand, und ich schlug vor, Erwin Forbach selbst bei seiner nächsten Transit-Transaktion zu beschatten. Es war richtig, aber auch gefährlich, und es erforderte eine neue Identität, einen deutschen Ausweis und vielleicht auch zur Tarnung eine deutsche Begleiterin.
»Gut«, entschloß sich Steve. »Auf deine Verantwortung.«
Ich war auf einen Alleingang nicht erpicht.
Ich wollte die Aktion nur rasch hinter mich bringen. Und nichts war einfacher, als mit ordentlichen Papieren auf der Autobahn Hof-Berlin hinter einem Wagen herzufahren, der für die Vopos unhörbar Impulse sendete, ohne daß es eine Insassen wußten. Freilich war es nicht mehr als ein Versuch – aber ich mußte ohnedies nach Berlin, denn es war mir längst klar, daß dort die dissonante Musik spielte.
Ich zog in ein kleines Hotel am Englischen Garten und trieb die Vorbereitungen voran. Es ging alles rasch und reibungslos. Zwischen BND und CIA hatte es schon oft Querelen gegeben, aber diesmal schien sich die Zusammenarbeit Cassidy-Ritter glänzend zu bewähren.
Meistens kommt ja einer Zusammenarbeit von Rivalen kein höherer Stellenwert zu als zum Beispiel ein Händedruck am Werbellinsee, aber wenn eine Kooperation einmal klappt, dann sicher nur auf der Basis des persönlichen Vertrauens.
Mit einigen Leuten aus dem Pullacher Camp hatte ich gute Erfahrungen gemacht, mit anderen schlechtere; der Unterschied lag in der Person, nicht in der Institution. Da aber der Fall Sperber von vornherein auf höchster Ebene abgespielt wurde, war zu erwarten, daß kleinliche Intrigen und übliche Ränke diesmal unterblieben.
Am Nachmittag erhielt
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