Die Nacht der Schakale
verspottet –, gelang es ihm nicht selten, wiewohl ihm die intuitive Intelligenz des Generals Lupus abging. Seine Stärke war offensichtliche Ergebenheit. Beim Umgang mit dem schönen Geschlecht fehlte ihm auch die lockere, selbstsichere Art seines Chefs. Er kam sich hölzern vor, und so fragte er plump: »Was ist los? Schwierigkeiten?«
»Noch nicht«, erwiderte Cynthia. »Es ist eingetreten, was ich erwartet hatte: Diese Ypsilon-Maßnahme wurde vor einer Stunde widerrufen.«
»So schnell?« fragte der Vertraute des Untergrund-Generals. »So plötzlich?«
»Sie war wohl nie ernsthaft beabsichtigt«, erklärte die mattblonde Informantin. »Es sollte – fürchte ich – nur eine Falle sein. Wenn Sie diesen Ausbruch in Bautzen arrangiert haben, müssen Sie die Sache sofort stoppen.«
»Ich werde mich sofort darum kümmern«, erwiderte er. »Können Sie die Stellung in der Hannoverschen Straße noch halten?«
»Aber ja.«
»Denken Sie daran, für uns ist jeder Tag wichtig.«
»Es ist gar kein Ende abzusehen. Bevor diese Siebenschläfer auf mich kommen, werden sie sich gegenseitig zerfleischen. Solange ich in Ostberlin bin, riskiere ich ja so gut wie nichts.«
»Daher meine Bitte«, schloß Sabotka das Gespräch.
»Fahren Sie in nächster Zeit nicht in die Westsektoren. Sicher ist sicher.«
Wiewohl es Sabotka eilig hatte, in die Normannenstraße zu kommen ging die Informantin Klabautermann noch vor ihm in den Buchladen zurück.
Keiner hatte ihre Abwesenheit beobachtet; sie blätterte wieder in einem Buch, schob es in das Regal zurück und verließ – eine offensichtlich unschlüssige Kundin, wie es viele gibt – das Kulturgeschäft.
Cynthia ging zu Fuß zu ihrer Wohnung weiter.
13
Während der Fahrt zu Münchens inoffizieller Agency-Residentur brauchte ich nicht erst in Steves angestrengtes Gesicht zu sehen, um zu spüren, daß die Affäre Sperber in eine entscheidende Runde getreten war. Unsere Filiale lag – als Geschäftsfirma getarnt – in der Innenstadt. Man konnte sie über eine Tiefgarage erreichen, ohne auf der Straße gesehen zu werden. Normalerweise war das Büro rund um die Uhr besetzt, aber Steve hatte die beiden Männer vom Nachtdienst an den Flughafen Riem beordert, um den dort aus Zürich ankommenden Forbach zu erwarten und zu beschatten.
Er läutete seinen Lotsen im Camp an. Ritter war so schnell in der Leitung wie ein Callgirl, das auf den Anruf eines späten Freiers wartet.
»Er kommt gleich«, sagt Steve.
Daß er meine Zusammenkunft mit seinem Pullacher Scout nicht verhinderte, ließ darauf schließen, daß er dem BND-Spitzenmann vertraute – oder daß uns keine Zeit mehr zum Mißtrauen blieb. Es ist das Dilemma dieser zweifelhaften Branche, daß es immer zwei Möglichkeiten gibt.
Ritter schaffte die Fahrt von Pullach in die Münchner City in Rekordzeit; er begrüßte uns noch aus vollem Lauf.
Steve machte uns miteinander bekannt.
»You're welcome, Mister Schmidt«, sagte der Mann mit dem glatten Gesicht und dem festen Händedruck und überreichte mir einen Familienpaß, ausgestellt auf Heinrich und Renate Schmidt, Kaufmann aus München, sowie Wagenpapiere für einen BMW-Sechszylinder. Der Paß wirkte abgegriffen und war laut Datum schon vor zwei Jahren ausgegeben, der Wagen vor etwa sieben Wochen zugelassen worden.
»Bestens«, bedankte ich mich bei dem Mann aus Pullach.
»Radio DDR gab soeben bekannt, daß die Polizei diesen Ausbrecher aus Bautzen wieder eingefangen hat.«
»Die Stasi-Leute reagieren wirklich verdammt fix«, erwiderte Steve mit mehr Anerkennung als Überraschung.
»Nun müßten wir aber den Maulwurf in der Hannoverschen Straße eigentlich kennen«, stellte ich fest.
»Eigentlich«, versetzte Ritter, tauschte einen schnellen Blick mit Steve und wechselte rasch das Thema. »Wenn Sie mir Ihren Vorführraum überlassen, zeige ich Ihnen den neuesten Stand unserer Computeranalyse.«
Wir erhoben uns und gingen nach nebenan.
»Also«, erklärte der BND-Spezialist, bevor er mit seiner Demonstration begann, »wir haben alles, was wir wissen, auf den aktuellsten Stand gebracht, eingespeichert und im Zweifelsfall noch Ergänzungen eingeholt, um den Kreis denkbarer Sperber-Kandidaten zu lokalisieren. Einer der zehn, die ich Ihnen gleich vorführen werde, muß der Mann mit dem Raubvogel-Pseudonym sein. Ob er nun echt oder falsch ist, ein potentieller Überläufer oder nur ein Agent provocateur, spielt natürlich in dieser Berechnung keine Rolle – aber
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