Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
aufgrund exakter elektronischer Abgrenzungen möchte ich ausschließen, daß es einen elften Sperber-Kandidaten gibt.«
    »Ich auch«, erwiderte ich.
    Ritter begriff den Doppelsinn und lächelte wie ein Kellner, der mit der großen Suppenterrine ausgerutscht ist.
    Es bedurfte keiner weiteren Erklärung: Jeder Geheimdienst der Welt, der nicht pfuscht, arbeitet nach dem Abschottungsprinzip: Die Agenten erfahren nicht mehr als nötig, oft an einen Auftrag gesetzt, dessen Zielrichtung sie gar nicht kennen. In der Zentrale aber, bei den Top-Managern der unsichtbaren Front, laufen – etwa in der Geheimhaltungsstufe II – die Fäden wieder zusammen. Wer diesen Vertrauensrang erreicht hat – wie bei uns zum Beispiel Steve Cassidy – erfährt alles, genauer gesagt, fast alles.
    Die Grundlage der Computeranalyse war die Feststellung, wer in die zweithöchste Kategorie eingestuft war. Der Asphalt-Dschungel im Untergrund mit seinen festen Fronten ist einer ständigen Korrosion ausgesetzt. Dabei entstehen zwangsläufig Nahtstellen, besetzt von Doppelagenten, die oft selbst nicht einmal mehr genau wissen, welche Seite sie eigentlich reeller bedienen. Zwangsläufig ist jeder Geheimdienst – zumindest auf unterer bis mittlerer Ebene – von seinen Gegnern unterwandert und erfährt so viel, wie in dieser Rangordnung möglich ist. Die eine oder andere Einzelheit kann nach unten durchsickern, aber keine drei gleichzeitig, wie zum Beispiel Sindelfingen, Bonn und Berlin-Ost.
    Der große Unbekannte hatte diese zweieinhalb Enttarnungen als Vorleistung in den ungewissen Deal eingebracht: Also war er in dem engsten Kreis der Männer zu suchen, die Zugang zu den Top-secret-Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes hatten. Sie konnte der Computer mit Sicherheit ermitteln, aber dann kamen die Imponderabilien, die er nicht mehr erfaßte.
    »Fangen wir ganz oben an«, sagte Ritter.
    Als erster erschien General Lupus im Bild, und das bedeutete eigentlich, daß wir die Zahl der Verdächtigen auf neun verringern konnten – obwohl vor Jahren ein Präsident des westdeutschen Bundesverfassungsschutzes, angeblich in den Osten entführt, dort ein lautstarkes Bekenntnis für den SED-Staat abgegeben hatte. Aber Lupus war aus anderem Holz, war eher stabil als labil. »Nach unserer Meinung sitzt er – trotz aller Gerüchte – fest im Sattel«, stellte Ritter fest. »Diese Aufnahme ist jüngeren Datums. Sie sehen es an dem höher gerutschten Haaransatz und an der neuen Brille.«
    Der nächste war Wellershoff, potentieller Nachfolger des Generals, falls dieser zum Minister befördert – oder in die Wüste geschickt – würde. Der Mann war ein ebenso farbloser Apparatschik wie Lemmers, der als Kontrolleur und Laufbursche zwischen der Normannenstraße und dem SED-Zentralsekretariat diente. »Der Gruftspion«, erläuterte Ritter, »ist eigentlich zu fantasielos, um ein Täuschungsmanöver großen Stils durchzustehen. Aber vielleicht ist gerade das die Täuschung.«
    Der vierte war Grewe, Stasi-Oberst; er sollte sich bei der letzten Besprechung des intimen Lupus-Kreises im Bulgarien-Urlaub befunden haben.
    »Diese Ferienreise fand niemals statt«, erläuterte der Ressortchef. »Nach jüngsten Erkenntnissen hatte Grewe einen Herzinfarkt erlitten und war zur Kur in einem Sanatorium in Dresden.«
    Ritter drückte erneut auf die Vorführtaste und rief Sabotka ab.
    »Ihre Schnappschüsse sind übrigens ausgezeichnet«, lobte Steve.
    »Danke«, erwiderte Ritter und deutete auf die Projektierwand. »Der treue Diener seines Herrn«, referierte er über Major Sabotka. »Führt jeden Befehl aus wie eine Maschine und versucht dabei in allem, seinem Abgott nachzueifern.« Er lachte halblaut. »Es hat ihm ja den Spitznamen Lupusculus eingebracht.«
    Die Nummer sechs war Gelbrich, die ehrliche Haut, ein Altkommunist, der ein Leben lang seinen Kopf hingehalten hatte. »Der Stunkmacher vom Dienst«, stellte der Lichtbild-Cicerone fest. »Berufs-Proletarier, vormals Bataillons-Kommandeur bei den Internationalen Brigaden in Spanien. Später kurze Haft in Frankreich, dann Übersiedelung in die Sowjetunion. Auch hier war Gelbrich einige Zeit eingebuchtet, wurde rehabilitiert, befördert – heute ist er einer der Letzten aus der ersten Funktionärs-Garnitur an der Normannenstraße. Der Sabotage-Spezialist, zugleich der Mann, der das Ministerium nach außen hin abdichtet und nach innen kontrolliert.«
    Die bisher Vorgeführten entsprachen einer

Weitere Kostenlose Bücher