Die Nacht der Uebergaenge
bequemere Haltung auf dem Stuhl ein. Beugte sich
nun doch zu ihr vor, wenngleich, ohne sie zu berühren oder den Versuch zu
machen, da er erst sicher sein musste, dass sie keine Wirkung mehr auf ihn
hatte, wenn er ihr nahe kam. Lässig stützte er sich mit den Unterarmen auf den
Oberschenkeln ab und schüttelte dann vielsagend den Kopf.
„Ich habe Sie beobachtet. Ich bin Ihnen gefolgt, daher habe ich Sie sehr
schnell gefunden. Nachdem ich endlich Einlass in den Altarsaal bekam. Das war
nicht so leicht, Nicolasa.“
Aubrey hob fragend eine Augenbraue, wollte aber nicht wirklich eine Antwort,
was sie dort gemacht hatte.
„Bevor wir weitersprechen, sollte Ich Ihnen vielleicht erklären, warum
ich Ihnen gefolgt bin. Sie waren sehr durcheinander und Sie hatten ein Messer
bei sich. Außerdem dachten Sie an meinen Sohn.“
Der Lord blinzelte zweimal, weil er ihr gerade ungewollt vermittelt hatte, er
würde sich auf Damons Seite stellen und das war nicht seine Absicht gewesen. Er
setzte sich wieder aufrecht.
„Das, was er Ihnen angetan hat, tut mir leid. Er ist sehr schnell darin, Herzen
zu brechen und ich bin zu langsam, um es zu verhindern. Er hat Ihnen sehr weh
getan, nicht wahr?“
Aubreys Züge wurden weicher und er streckte die Hand nach ihr aus, um sie
einmal ganz vorsichtig mit den Fingerspitzen zu berühren und ihre Hand dann
sanft mit seiner zu umschließen, wie er es sich eigentlich nicht getraut hatte.
"Er kann das Opfer, das Sie gebracht haben, nicht wert sein."
„Oh!“, entfuhr es Nico mit schwacher Stimme, als Blake sie darüber
aufklärte, woher Damon sein gutes Aussehen geerbt hatte.
Die Berührung seiner Fingerspitzen empfand sie dennoch nicht als unangenehm und
sie entzog ihm auch nicht die Hand. Sie hielt den Blick darauf gesenkt, um die
Tränen in ihren Augen vor ihm zu verbergen. Die Erkenntnis, dass Damon wirklich
so schlecht sein konnte, wie sie insgeheim gefürchtet hatte, traf sie ungleich
schwerer. Die Worte kamen von seinem Vater und es schwang ehrliches Bedauern
darin mit.
„Ich musste es tun… Nicht für Ihren Sohn… Blake!“, flüsterte Nico leise
und konzentrierte sich völlig auf die Wärme, die seine Hand ihrer spendete.
Alles andere an ihr war plötzlich eiskalt geworden.
„Er trägt nicht die Verantwortung für das, was geschehen ist… Ich habe ihn
geradezu herausgefordert… Ich hätte nur… Ich weiß nicht… Ich sehe die Dinge
anders… Die meisten halten mich für naiv und verträumt und für leicht
verführbar. Vielleicht stimmt das auch. Ich habe nie gelernt, mein Herz zu
verschließen, ich konnte immer offen auf die Menschen zugehen und wurde selten
enttäuscht. Eine Erfahrung, die ich wohl noch machen musste… Ich bin eine
Priesterin meines Glaubens, man erwartet von mir spirituelle Führung und in der
Welt der Immaculate nun noch viel mehr… Ich wollte nicht, dass dieser Fehler…
Ich musste mich davon befreien. Aber ich habe dabei nicht bedacht, welche
Konsequenzen die Benutzung des Altars nach sich ziehen würden!“, versuchte Nico
Damons Vater zu erklären, was sie zu ihrem Handeln getrieben hatte, auch wenn
sie selbst die Dinge noch nicht so klar sah.
Damon hatte eindeutig Charakterzüge mit seinem Vater gemein. Sie
erinnerte sich nur zu gut an diese Seite von ihm, als er sich nach dem Feuer so
fürsorglich um sie gekümmert hatte. Er war ihr niemals zu nahe getreten und
wenn sie ihm gestern Abend nicht in diesem Zustand begegnet wäre, der ihr heute
wie ein unkontrollierbarer Rausch vorkam, dann wäre auch nie etwas zwischen
ihnen passiert.
Sie war in ihn verliebt, aber das allein hätte nicht ausgereicht, ihre
angeborene Zurückhaltung einfach über Bord zu werfen und sich dermaßen eifrig
in seine Arme zu werfen. Allein die Vorstellung ließ sie innerlich erschauern.
Nico sah mit traurig schimmernden Augen zu Blake auf, wobei sie nun
ihrerseits ihre freie Hand über seine legte.
„Ich möchte nicht, dass Sie den Eindruck haben, ich wäre einem Zusammenbruch
nahe… Ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr so impulsiv zu handeln… Ich
weiß, das klingt wohl auch ziemlich naiv, aber Sie sind nicht dafür
verantwortlich, was ich getan habe. Ich hätte mich kaum von Ihnen davon
abbringen lassen… Ich bin leider auch ziemlich dickköpfig!“
Sie lachte leise und halbherzig auf, weil sie irgendwie das Gefühl hatte, dass
sie ihn trösten sollte. Es war bestimmt kein schönes Gefühl, von dem eigenen
Sohn enttäuscht zu werden. Nico wusste, dass es
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